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Weihnachtsmusik

Lied „Oh Tonnenbaum“ wird 200 Jahre alt

Das Lied „Oh Tannenbaum“ geht zwar auf ein Lied aus dem 16. Jahrhundert zurück und wurde im Jahr 1615 von Melchior Franck in einem Quodlibet (Musikstück) zitiert. Doch erst im Jahr 1824 wurde der heutige Klassiker erstmals zum Weihnachtslied. Von Ralf Schick und Katharina Rögner (epd).

Das Lied "Oh Tannenbaum" ist ein Weihnachtsklassiker.

Adobe Stock Elena Verba - Illustrationen: Adobe Stock/ 
Elena Verba, Zaie, Bearbeitung: Hoß)

Freiburg/Leipzig. Der Lehrer und königliche Musikdirektor Ludwig Erk war der erste wissenschaftliche Melodiensammler in Deutschland, der eine private Sammlung von etwa 20 000 Volksliedern angelegt hatte, welche er in Liederbüchern veröffentlichte.

In seinem ‚Deutschen Liederhort‘ aus dem Jahr 1856, einer Sammlung von Musikstücken, gibt er mit dem Lied ‚Es hing ein Stallknecht seinen Zaum‘ eine noch ältere Quelle für Oh Tannenbaum an: nämlich zwischen 1550 und 1580. In jenem Lied war diese Strophe enthalten: „O Tanne, du bist ein edler Zweig, Du grünest Winter und die liebe Sommerzeit. Wenn alle Bäume dürre sein. So grünest du, edles Tannenbäumelein.“

Nach übereinstimmenden Quellen war es aber das Jahr 1824, als der Leipziger Musiker, Lehrer, Komponist und Theologe Ernst Anschütz (1780-1861) den Klassiker schuf – zumindest in der heute bekannten Form. Er veröffentlichte ihn zusammen mit anderen Werken in seinem „Musikalischen Schulgesangbuch“. Anschütz nutzte dafür ein tragisches Liebeslied, das die Untreue einer jungen Frau im Kontrast zum immergrünen Tannenbaum als Symbol der Treue besingt, und formte es um zum hoffnungsvollen Weihnachtslied.

Dabei behielt er die Melodie und die erste Strophe eines älteren Tannenbaum-Liedes des Berliner Pädagogen August Zarnack (1777-1827) bei, strich die restlichen Strophen und dichtete zwei neue dazu. Damit rückte er den Baum in den Mittelpunkt. Die Noten setzte er zweistimmig. Die Volksweise wurde später auch für zahlreiche Parodien genutzt. „Vermutlich handelt es sich um das erste Lied, das einen Zusammenhang zwischen Tannenbaum und Weihnachtsfest herstellt“, schreibt der Musikwissenschaftler Tobias Widmaier vom Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Universität Freiburg.

Mit den Weihnachtsbräuchen kam auch der geschmückte Baum

Mit der Herausbildung bürgerlicher Weihnachtsbräuche habe im 19. Jahrhundert auch der geschmückte Baum in den Wohnstuben Einzug gehalten. Anschütz, Sohn eines evangelischen Pfarrers und bekennender Freimaurer, stellte sein „Schulgesangbuch“ von 1824 für den Unterricht bereit und führte dort laut Widmaier Volkslieder ein. Die Texte fand er im überlieferten Liedgut oder in Zeitungen und Zeitschriften, für die er arbeitete. Und er dichtete sie auch selbst. Unter den 1824 erschienenen Kinderliedern waren laut dem Freiburger Institut außer „O Tannenbaum“ auch „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ und „Alle meine Entchen“.

Der Klassiker „O Tannenbaum“ wird heute landauf und -ab gesungen. Auch der MDR-Kinderchor hat ihn im aktuellen Weihnachtsprogramm. Chorleiter Alexander Schmitt sagt, er habe das Liedjubiläum und den regionalen Bezug aufgreifen wollen. Die Melodie von „O Tannenbaum“ sei sehr eingängig, gehe total ins Ohr und bleibe im Kopf hängen. Sie sei so schmissig, dass sie auch junge Leute begeistere und im kulturellen Gedächtnis hängenbleibe.

Tannenbaum symbolisiert bei Christen das ewige Leben

In der christlichen Kultur symbolisiert der Tannenbaum das ewige Leben und die Hoffnung auf Wiedergeburt. Die immergrünen Nadeln stehen für Beständigkeit und Leben auch in den kalten Monaten des Jahres. Anderswo gilt er als Schutzsymbol gegen böse Geister und negative Energien, er steht für Glück und Wohlstand im folgenden Jahr oder er wird zur Wintersonnenwende gefeiert, um die Rückkehr des Lichts zu begrüßen.

Das Freiburger Institut hat Dutzende populäre und traditionelle Lieder erforscht – von „Ein feste Burg ist unser Gott“ bis zu „Last Christmas“. Der Geschäftsführende Direktor Michael Fischer betont: „Uns interessieren vor allem die Kontexte, in denen ein Werk entstanden ist.“ Schulgesangbücher wie das von Anschütz hätten sich zunächst an Lehrer gerichtet, sagt Fischer. Diese sollten die Lieder dann den Schülerinnen und Schülern vermitteln.

Dass bei „O Tannenbaum“ die grünen Blätter besungen würden, obwohl dieser Baum doch Nadeln habe, sei mit der historischen Sprache zu erklären: „Es wurde um 1800 von den runden, spitzigen Blättern der Fichten und Tannen gesprochen“, erklärt Fischer.

Die Melodie ist leicht, das Lied insgesamt volkstümlich. Der Text hat die „Qualität einer bestimmten Unbestimmtheit“, formuliert es Fischer. Besungen wird der Tannenbaum, nicht etwa der Christbaum. Anschütz habe das Lied zwar als ein religiöses Werk entworfen, aber es sei deutungsoffen. Das sei ein Grund für den großen Erfolg bis heute.

Verschiedene Variationen von „Oh Tannenbaum“

Das Lied „Oh Tannenbaum“ ist z​um Symbol d​es Weihnachtsfestes geworden. Im Laufe d​er Zeit wurden allerdings verschiedene Versionen des Liedes veröffentlicht von klassischen b​is hin z​u modernen Interpretationen.

Bekannt wurde auch eine Verballhornung des Liedes nach der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1918: „O Tannenbaum … der Kaiser hat in’ Sack gehaun, er kauft sich einen Henkelmann und fängt bei Krupp in Essen an.“

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