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Die gute Seele des Unternehmens
Mannheim. Der Patriarch ist tot, es lebe die Patriarchin! Wie eine Fürstin des Industriezeitalters hat der Maler Otto Propheter sie in Szene gesetzt. Tatsächlich war Julia Lanz (1843-1926) zu diesem Zeitpunkt nicht nur die Witwe des vielleicht bedeutendsten Fabrikanten der Quadratestadt, sondern gehörte auch selbst der Betriebsführung an.
„Unser Bild ist leider nicht datiert, aber wie die Trauerkleidung verrät, muss es nach dem Tod von Heinrich Lanz 1905 entstanden sein“, sagt Andreas Krock. Der Kunsthistoriker ist Sammlungsleiter für Malerei, Skulptur und Grafik in den Reiss-Engelhorn-Museen, die das Gemälde aus dem Nachlass der Eigentümerfamilie erhalten haben.
Fabrik sorgte für die Modernisierung des Agrarsektors
Mit dampfbetriebenen Dresch-, Zug- und Futterschneidmaschinen spielte die 1859 gegründete Fabrik eine tragende Rolle bei der Modernisierung des Agrarsektors. Dass die Ehefrau eines Unternehmers selbst das Steuer übernimmt, entsprach um 1900 noch nicht der gesellschaftlichen Konvention. Erst recht nicht, wenn es einen männlichen Erben gab. Allerdings schien Heinrich Lanz seinem einzigen Sohn zu misstrauen. „Karl Lanz brachte als studierter Ingenieur zwar technischen Sachverstand mit“, erklärt Krock, „doch er stand im Ruf eines Playboys, der nicht mit Geld umgehen konnte.“
Als starke Frau hinter einem erfolgreichen Mann pflegte sie das Image der Familie in der Mannheimer Stadtgesellschaft und engagierte sich kulturell wie sozial. So förderte sie etwa das Nationaltheater. Besonders am Herzen lag ihr das Schicksal junger Frauen. Deshalb stieß Julia Lanz die Gründung einer Hebammenschule und eines Wöchnerinnenheims für Mannheim an.
In die Unternehmensführung aufgerückt, nahm sie die Fürsorgepflicht gegenüber der Belegschaft sehr ernst. In unmittelbarer Nähe des Betriebsgeländes entstand das Heinrich-Lanz-Krankenhaus, wo Angestellte bei Arbeitsunfällen schnell und fachgerecht versorgt werden konnten.
Als erste Frau erhielt sie die Ehrenbürgerwürde der Stadt
Trotz ihres eher bodenständigen Naturells lehnte „Frau Heinrich Lanz“, wie sie stets unterschrieb, die technischen Innovationsideen des Sohnes keineswegs ab. Im Gegenteil: Karl Lanz‘ Nebenprojekt, in die Luftfahrbranche einzusteigen und Graf von Zeppelin Konkurrenz zu machen, begleitete sie wohlwollend.
„In der Belegschaft nannte man sie liebevoll die ‚Luftschiff-Mutter’“, erzählt Krock. 1910 erhielt Julia Lanz die Ehrenbürgerwürde der Stadt Mannheim – als erste Frau. (gl)