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Serie: Starke Frauen

Marianne Ehrmann schreibt im 18. Jahrhundert über die Liebe mit Vernunft

Die gebürtige Schweizerin Marianne Ehrmann war eine der erfolgreichsten Publizistinnen des 18. Jahrhunderts - und dies trotz ungünstiger Voraussetzungen.

Dieser anonyme Scherenschnitt zeigt die erfolgreiche Publizistin Marianne Ehrmann um das Jahr 1790.

Privat)

Stuttgart. Mehr Resilienz geht kaum. Weder ein prügelnder Ehemann noch eine Totgeburt oder die soziale Ächtung als geschiedene Frau konnten ihren Lebens- und Arbeitswillen brechen. Die gebürtige Schweizerin und Wahlstuttgarterin Marianne Ehrmann (1755-1795) wurde eine der erfolgreichsten deutschen Autorinnen des 18. Jahrhunderts.

Um dem beschränkten familiären Milieu zu entkommen, heiratet die Tochter eines verarmten Kaufmanns vom Zürichsee einen Armeeoffizier, der sich als spielsüchtig und gewalttätig erweist. Möglicherweise endet die Schwangerschaft auch aufgrund der Misshandlungen mit einer Totgeburt. Dank eines Onkels aber schafft die begabte junge Frau die Flucht aus der toxischen Ehe.

Frisch geschieden schließt sich Ehrmann einer Schauspieltruppe an

Um weiterhin ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, schließt sich die frisch Geschiedene einer fahrenden Schauspieltruppe an. Das Milieu der Wanderbühnen gilt zwar als anrüchig, doch es eröffnet den Weg in die Schriftstellerei.

Ehrmanns Debut, die zunächst anonym publizierte „Philosophie eines Weibs“, gehört zu den Gründungstexten der deutschen Frauenliteratur. Schon der Titel legt es auf eine Provokation an. Denn die Philosophie ist eine Disziplin, in der sich seinerzeit ausschließlich akademisch gebildete Männer betätigen.

Mit der moralisch-pädagogischen Abhandlung möchte die Autorin ihre Geschlechtsgenossinnen vor den Fehlern bewahren, die sie selbst begangen hat.

Vehement verteidigt sie die physische Autonomie der Frau: „Ich liebe meinen Körper zu sehr, um ihn so geradezu zum Mißbrauch so vieler Undankbaren zu bestimmen.“ Die Schrift bringt eine feministische Perspektive in die Aufklärung. Ehrmann empfiehlt, Liebe mit Vernunft zu kombinieren. Ein Ratschlag, den sie bei ihrer zweiten Ehe offenbar auch selbst beherzigt: Um 1785 heiratet sie mit dem Straßburger Juristen und Schriftsteller Theophil Friedrich Ehrmann einen Gleichgesinnten. Das Paar zieht nach Stuttgart, wo Mariannes Karriere weitergeht.

Der Briefroman „Amalie“ übt harsche Kritik an der eingeengten gesellschaftlichen Stellung der Frau. „Kann etwas Unbemerkteres auf der Welt seyn, als ein Weibergeschöpf?“, klagt die Titelheldin.

Das Buch findet großen Anklang, Leserinnen verwechseln die Autorin sogar mit ihrer Figur und reden sie als „Amalie“ an. Als journalistischer Ableger des Romans erscheint ab 1790 die Frauenzeitschrift „Amaliens Erholungsstunden“. In Geschlechterfragen übertrifft der Kampfgeist ihrer Beiträge den Elan ihres großen Vorbildes Sophie von La Roche, die zeitweise in Bönnigheim gelebt hat.

Der Stuttgarter Cotta-Verlag übernimmt das Blatt

Die beiden ersten Jahrgänge der „Erholungsstunden“ gibt Marianne selbst heraus, dann wird das Blatt vom renommierten Stuttgarter Cotta-Verlag übernommen. Die „Emma“ des 18. Jahrhunderts erreicht die für die Zeit hohe Auflage von 1000 Exemplaren.

Marianne Ehrmanns Erfolg liegt auch darin begründet, dass ihre „Frauenzimmerphilosophie“ nicht abstrakt bleibt, sondern praktische Tipps für die Leserinnen parat hat. Beim Dating etwa empfiehlt sie eine taktische Zurückhaltung, um den Angebeteten zu erobern. „Die sich entfernenden Grazien haben immer am meisten an sich gezogen.“

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