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Wie das Insektenmontoring funktionert
KÖNIGSBACH-STEIN. Insekten machen den Großteil der Biodiversität aus. Sie bestäuben Pflanzen, tragen zur Fruchtbarkeit der Böden bei und sind Nahrung für viele Tiere. Damit übernehmen sie eine Schlüsselrolle im Ökosystem. Doch die Zahl der Insekten geht zurück. Das belegte die Studie des Entomologischen Vereins Krefeld. Baden-Württemberg hat daraufhin als erstes Bundesland ein eigenes Insektenmonitoring eingeführt, das nun in die zweite Runde geht. In Königsbach-Stein erläuterten die Fachleute von der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) gemeinsam mit dem Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart, wie das Monitoring funktioniert.
Für das Monitoring gibt es 201 Stichprobenflächen in Baden-Württemberg. 161 im Bereich der offenen Kulturlandschaft, also überwiegend landwirtschaftlich genutzten Flächen und Siedlungen. 40 in Naturschutzgebieten. Diese Flächen sind jeweils ein Quadratkilometer groß und wurden vom Statistischen Bundesamt festgelegt, wie Florian Theves vom Referat Artenschutz der LUBW erläutert. Untersucht werden auf den Flächen das Vorkommen von Tagfaltern, Heuschrecken, Laufkäfern und Nachtfaltern. Außerdem wird die Insektenbiomasse im Boden und in der Luft erhoben.
Malaisefallen erfassen die Insektenbiomasse
Um die Insektenbiomasse in der Luft zu erfassen, werden Malaise-Fallen aufgestellt. Das sind Stoffzelte mit einer Mittelwand und zwei großen quadratischen Öffnungen an zwei Seiten. Benannt wurden sie nach dem schwedischen Entomologen René Malaise, der die Fallen erstmals im Jahr 1937 eingesetzt hat. Die umherfliegenden Insekten stoßen per Zufall auf die schwarze Mittelwand und orientieren sich automatisch an dem von oben hereinfallenden Tageslicht. An der höchsten Spitze des Zelts befindet sich eine Öffnung, an der eine Flasche sitzt. In dieser sammeln sich die Tiere in konservierendem Alkohol, erläutert Ingo Wendt vom Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart.
Das Abtöten der Insekten ist laut LUBW notwendig, da in Malaise-Fallen Gruppen wie Fliegen und Hautflügler wie etwa kleine Schlupfwespen dominieren, die oft sehr schwer bestimmbar sind. Die Fallen besitzen keine anlockende Wirkung und stehen nur alle vier Jahre am selben Ort. Eine Gefährdung der Bestände lokaler Insektenpopulationen wird so vermieden.
Unbekannte winzige parasitoide Wespenart entdeckt
Während die Fallen aufgestellt sind, werden sie alle zwei Wochen geleert, wie Wendt erläutert. Im Naturkundemuseum wird die Biomasse dann gewogen. Die Malaisefallen entsprechen auch dem in Krefeld verwendeten Ansatz, so Wendt. Von zumindest jeder zweiten Falle werden auch die Insekten bestimmt. Meist sind es hunderte kleiner Insekten. Mit fast sechs Gramm pro Tag Insekten war die Falle im Naturschutzgebiet „Beim Steiner Mittelberg“ 2019 die insektenreichste Falle im Land, erzählt Wendt. Die Insektenbiomasse kann auch vom Wetter beeinflusst sein. Deshalb werden neben den Fallen auch weitere Messer, wie etwa ein Regenmesser und ein Temperaturmesser, aufgestellt. Zudem kartieren Botaniker auch die Pflanzen in der Umgebung.
Und manchmal findet man auch bislang unbekannte Arten bei der Auswertung der Insektenbiomasse. So etwa eine winzige parasitoide Wespe. Im Rahmen einer Doktorarbeit am Naturkundemuseum wurden genau solche kleinen Organismen genau untersucht. Und diese bislang unbekannte Wespe wurde schließlich nach Ministerpräsident Winfried Kretschmann benannt: Aphanogmus kretschmanni.
Transektzählung für Schmetterlinge
Schmetterlinge werden nach einem anderen Prinzip gezahlt. Hier wird die Transektzählung eingesetzt. Dabei wird in jeder Stichprobenfläche ein individuell auf Wegen und an Grenzen verlaufendes Linien-Transekt, so bezeichnet man die Strecke, auf der die Falterindividuen gezählt werden, von 1.500 Metern Länge eingerichtet. Die Breite des Transektes beträgt zehn Meter. Dieses Transekt wird dann in allen künftigen Kartierungen wiederverwendet. Bei geeigneter Witterung werden zwischen Mai und August fünf Mal Tagfalter und Widderchen im vorgegebenen Begehungszeitraum von zwei Stunden beiderseits der Linie erfasst und meist sofort bestimmt. Die Aufnahme von Arten und Individuen erfolgt auf dem Hinweg punktgenau mittels einer App, die für das Biodiversitätsmonitoring Schweiz entwickelt wurde. Da bestimmte Arten eher im Frühsommer andere im Spätsommer fliegen, sind Kartierer wie Andreas Nummer von der Firma Bioplan zu mehrfach im Sommer auf immer exakt der gleichen Strecke unterwegs. Ausgestattet sind sie mit genauer Falterkenntnis, gutem Blick für die Tiere und großen Fangnetzen.