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Hochschulen: Hilfe für Ukraine läuft weiter, Kooperationen werden ausgebaut
STUTTGART. Der ukrainische Mathematiker Taras Melnyk war 1998 erstmals an der Uni Stuttgart, hat hier seine wichtigsten Forschungsergebnisse erzielt. Einige Wochen nach Kriegsbeginn, nach ersten Berichten von Gräueltaten der russischen Armee in Butscha, verließ er mit seiner Frau Kiew und ist seit Ende Mai 2022 mit einem Stipendium der Humboldt-Stiftung in Stuttgart.
Die Chemikerin Nadiia Huskova dagegen arbeitet bereits seit 2021 an der Uni in der Landeshauptstadt, seit 2017 lebte und studierte sie schon in Deutschland. Einzelschicksale sind das eine. Doch was sagen die Statistiken?.
Zahl Studierender aus der Ukraine ist relativ gering
Seit dem März 2022 haben nach Angaben des Wissenschaftsministeriums – Stand Januar – 613 geflüchtete Studierende an den Hochschulen des Landes ein Studium aufgenommen. Ferner konnten 78 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Forschungs- oder Lehrtätigkeit an baden-württembergischen Hochschulen fortsetzen. Die Zahl ukrainischer Studierender in Baden-Württemberg ist also vergleichsweise gering: Schließlich gibt es derzeit rund 360 000 Studierende an den Hochschulen des Landes. Der Anteil der Ukrainer beträgt also schätzungsweise nur rund 0,2 Prozent. An den allgemeinbildenden Schulen beispielsweise liegt er bei rund zwei Prozent, an der Gesamtbevölkerung bei mehr als einem Prozent.
Unterstützungsangebote gibt es aber reichlich: Der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz und Rektor der Universität Mannheim, Thomas Puhl, verweist etwa auf die zentrale Informationsstelle der baden-württembergischen Hochschulen, die die Universität Tübingen betreibt. Vor Ort gebe es Willkommensveranstaltungen, Deutschkurse und Workshops zum deutschen Wissenschaftssystem sowie interkultureller Verständigung. Das Wissenschaftsministerium hat im September eine eigene Kontaktstelle für geflüchtete Studierende und Studieninteressierte eingerichtet. Diese „informiert als Kontaktstelle niederschwellig in der Muttersprache über den Weg ins Studium und Studienangebote in Baden-Württemberg – auch für das kommende Sommer- und Wintersemester“, so Ministerin Petra Olschowski (Grüne). Zur finanziellen Unterstützung gibt es zudem einen Überbrückungsfonds mit jährlich 500 000 Euro und Stipendienprogramme.
KIT-Forscher helfen bei Vorbereitung auf den nuklearen Ernstfall
Die russischen Angriffe auf die Ukraine gefährden auch die Sicherheit der dortigen Atomkraftwerke. Dort ist „das Risiko eines nuklearen Unfalls dramatisch gestiegen“, so Sadeeb Simon Ottenburger, Leiter der Abteilung Resiliente und Smarte Infrastruktursysteme (Resis) an einem Institut des KIT. Er und seine Mitarbeiter unterstützen die Ukraine dabei, Folgen eines solchen Ereignisses abzuschätzen und die Auswirkungen auf Bevölkerung und Umwelt zu minimieren. Es bestehen enge Kontakte zur ukrainischen Atomaufsichtsbehörde Hydromet und anderen Behörden des Landes, Szenarien für schwere Unfälle wurden durchgespielt.
Ausgebaut wurde auch im Krieg die Zusammenarbeit mit Hochschulen in der Ukraine: „In der Tat wurden neue Kooperationen abgeschlossen, damit ukrainische Studierende vorerst an baden-württembergischen Hochschulen als Austauschstudierende aufgenommen werden können“, so eine Sprecherin. Derzeit gibt es nach Angaben des Ministeriums 26 solcher Kooperationen; das sind rund ein Zehntel aller bundesweit.
Und was ist mit Studierenden und Wissenschaftlern aus dem Land des Kriegsgegners der Ukraine, aus Russland? Dazu liegen laut Ministeriumssprecherin seit Beginn der Invasion noch keine amtlichen Daten vor. Wie aber gehen Ukrainer und Russen im Südwesten miteinander um, gibt es dort Konflikte?
Umgang von Ukrainern und Russen an Unis konfliktfrei
„Wir haben bisher keine Problemanzeigen von baden-württembergischen Hochschulen erhalten“, heißt es im Ministerium. „Wir haben von keiner Seite von Konflikten oder Problemen gehört“, heißt es fast gleichlautend bei der Landesrektorenkonferenz. „Aus verschiedenen Fachbereichen hören wir, dass russische und ukrainische Forschende entweder rücksichtsvoll und höflich miteinander umgehen oder sogar einen freundschaftlichen Umgang pflegen, sich gegenseitig helfen und untereinander Russisch sprechen.“
Wissenschaft lebt vom Austausch über Fach- und Landesgrenzen hinweg. Doch mit russischen Hochschulen und Einrichtungen gibt es diesen derzeit nicht mehr. Auch der Blick auf die Zusammenarbeit etwa mit China hat sich verändert. „Der Ukrainekrieg hat das Bewusstsein dafür geschärft, dass wir einerseits angesichts der großen globalen Herausforderungen kooperieren müssen, andererseits aber die Risiken für uns und andere künftig deutlicher in den Blick nehmen müssen“, sagt Puhl. Projekte würden nun stärker auf möglichen militärischen Nutzen für den Partner hin abgeklopft – und auf missbräuchliche Anwendungen wie Ausspähung und Kontrolle der dortigen Bevölkerung.