Wieder hitzige Flüchtlingsdebatte
Stuttgart. Der frühere Europaminister Wolfgang Reinhart (CDU) hat sich in der Landtagsdebatte zur aktuellen Zuwanderung gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Führungsspitze der Südwest-CDU gestellt. Anders Landeschef Thomas Strobl am Montag nach der Vorstandssitzung, verlangt Reinhart eine „Begrenzung der Zuwanderung für Deutschland“. Europa stehe an einem Scheideweg, so der langjährige Abgeordnete aus Tauberbischofsheim.
Für gewöhnlich verläuft die Unterrichtung des Landtags in EU-Angelegenheiten unspektakulär. Beim Thema Flüchtlingsaufnahme ist alles anders, zumal die Falschmeldung in die Debatte platzt, dass der CSU-Bundesvorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer erwägt, seine Minister aus der Bundesregierung zurückzuziehen. Strobl hatte versucht, seine Partei gemeinsam mit dem Spitzenkandidat für die Landtagswahl Guido Wolf (CDU) auf den Schulterschluss mit der Kanzlerin einzuschwören. Reinhart sieht dagegen die Notwendigkeit einer Abkehr von der Migrationspolitik der vergangen Wochen und beklagt den „Kontrollverlust des Staates“. Die Forderung nach einer Begrenzung sei berechtigt, weil sonst „die Grenzen der die Hilfsmöglichkeiten wirklich erreicht sind“.
Der frühere Minister verlangt zudem verstärkte Hilfe vor Ort in den Krisenregionen: „Wir können nicht nur den Fisch in Deutschland geben, wir müssen lehren, zu fischen.“ Für die FDP kritisierte auch Niko Rieth die Kanzlerin. „Politik darf nicht nur sagen, wir schaffen das, seriöse Politik auch muss sagen, wie wir das schaffen“, so der europapolitische Sprecher seiner Fraktion. Angela Merkel sei ihrem Amtseid nicht gerecht geworden, die Bundesregierung habe planlos agiert und die Solidarität der europäischen Partner falsch eingeschätzt. Außerdem erinnerte Reith daran, dass seine Partei seit langem ein modernes Einwanderungsgesetz fordere. Das sei jetzt dringend nötig, um die chaotische Zuwanderung zu beenden.
SPD: „Wir müssen uns auch an die eigene Nase fassen“
Den Blick zurück warf auch SPD-Europaminister Peter Friedrich, als er daran erinnerte, dass sich Deutschland und Baden-Württemberg viel zu lange nicht als Einwanderungsländer gesehen hätten. „Wir müssen uns auch an die eigene Nase fassen“, so der Sozialdemokrat weiter. Denn Deutschland habe über viele Jahre den Ruf nach Solidarität aus Italien, Griechenland, aber auch aus Ungarn ignoriert. Das Dublin-II-System, das jetzt kollabiert sei, habe jahrelang zu einer Abschottung Deutschlands geführt. Friedrich appelliert an die Vertreter der Opposition nicht immer neue Debatten zu entfachen. Das neue Asylgesetz seit drei Tagen in Kraft, europäische Vereinbarungen am vergangenen Sonntag getroffen, „und statt die Wirkung der Beschlüsse abzuwarten, werden immer neue Säue durch Dorf getrieben“. Das beschädige das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen „in die Handlungsfähigkeit des Staates“.
Grüne: „Was wir brauchen ist eine differenzierte Flüchtlingspolitik“
Besonders groß wurde die Unruhe in der CDU-Fraktion, als die Redner von Grünen und SPD Transitzonen an den deutschen Grenzen rundweg ablehnten. „Was wir brauchen ist eine differenzierte Flüchtlingspolitik“, forderte Joshua Frey (Grüne), der Reinhart auch direkt ansprach: „Wir spielen auf allen Tasten der Klaviatur und nicht wie Sie nur die Tasten ‚Abschottung“ und ‚Abgrenzung‘“.
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer