Werkrealschulen müssen nicht mehr zweizügig sein
Stuttgart. Die Werkrealschulen in Baden-Württemberg müssen künftig nicht mehr zweizügig sein. Außerdem wird die teilweise Auslagerung des Unterrichts in der zehnten Klasse in die Berufsfachschulen aufgehoben. In Klasse 10 kann ferner nicht nur der Werkrealabschluss erworben werden, sondern auch der Hauptschulabschluss. Grüne und SPD beschlossen an diesem Mittwoch in der letzten Sitzung des Landtags in diesem Jahr mit ihrer Mehrheit die entsprechenden Änderungen im Schulgesetz des Landes.
„Wir geben damit den Schulen, Schülern und Kommunen die Möglichkeit, die Bildungslandschaften zu entwickeln“, sagte Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) zur Begründung. Aus ihrer Sicht war die bisherige Werkrealschule der Versuch der CDU/FDP-Vorgängerregierung, das dreigliedrige Schulsystem „über die Zeit zu retten“. Dieses möchte Grün-Rot durch die Einführung der Gemeinschaftsschule im kommenden Jahr in Baden-Württemberg abschaffen.
Die Opposition lehnte deshalb die Gesetzesinitiative der Landesregierung ab. Sabine Kurtz (CDU) kritisierte, das Vorhaben sei weder gründlich durchdacht und vorbereitet, noch mit den Betroffenen ausführlich besprochen. „Rücksichtslos“ gegenüber Lehrern und Schülern sei die Eile der Regierung. Kurtz sagte, damit sei die frühere Werkrealschule passé und die zweijährige Berufsfachschule erledigt. Die CDU lehne deshalb die Änderungen ab und mache sich Sorgen um die Schullandschaft im Südwesten.
Opposition: Entwurf bietet falsche Anreize
Auch Timm Kern (FDP) fragte, wie ein Entwurf so viele Bildungschancen zunichte machen kann. „Die Vorbereitung auf den Beruf bleibe den Schülern verwehrt“, mutmaßte er. Außerdem erkennt er „falsche Anreize“, wenn Hauptschüler nach Klasse 9 oder Klasse 10 ihren Abschluss machen können. Das Gesetz sei bitter, die bisherige Werkrealschule stehe der Regierung offenbar im Wege.
Gerhard Kleinböck (SPD) hielt dem entgegen, die Aufhebung der bisher zwingenden Zweizügigkeit sei ein Vorteil. Außerdem böten die zwei Geschwindigkeiten für den Hauptschulabschluss nicht nur individuelle Schullaufbahnen, sondern auch die Chance, dass weniger Schüler ohne Abschluss die Hauptschule verlassen. Die Auslagerung des Unterrichts an zwei Tagen in die Berufsfachschule hätte nach Ansicht von Kleinböck ohnehin „zu Chaos an den Schulen“ geführt.
Vor allem kleinere Hauptschulen in ländlichen Bereichen bekämen durch die Neuregelung bessere Chancen, betonte Sandra Boser (Grüne). Sie verspricht sich von den Änderungen mehr individuelle Förderung. Berufliche Orientierung bleibe dabei ein wichtiger Bestandteil.
In Klasse 10 werden künftig bei grundsätzlich gemeinsamer Klassenführung Schüler sein, die den Werkreal- und den Hauptschulabschluss anstreben. Das Ministerium geht von einem Mehrbedarf von 250 Deputaten aus. Die Mindestschülerzahl wurde auf 16 festgelegt. Wegen der notwendigen Änderung der Stundentafeln und des Bildungsplanes für Klasse 10 müssen Lehrer fortgebildet werden – in Deutsch, Mathematik, Englisch und Materie-Natur-Technik. Dafür stehen 2012/2013 insgesamt jeweils 207 000 Euro zur Verfügung.