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Wann die Landesregierung auf ihre Rücklagen zurückgreifen soll, ist umstritten
STUTTGART. Wann ist ein rechter Zeitpunkt, auf die rund 3,7 Milliarden Euro zurückzugreifen, die die Landesregierung als Risikorücklage bereithält? – Das beschäftigte die Fraktionen im Landtag. „Man kann unterschiedlicher Meinung sein, wieviel Geld zu investieren und wieviel zurückzulegen ist“, sagte Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) an die Adresse der SPD. Betrachtet werden müsse aber auch, wofür diese Rücklagen gebildet worden seien: steigende Bau- und Energiepreise und Tariflöhne. Und lediglich zwei Prozent des gesamten Haushalts seien freie Rücklagen, „da würde ein Risikomanager sagen, dass ist eher zu wenig als zu viel“.
Nicolas Fink (SPD) sprach von einem „Enkeltrick“, weil immer von einem enkelgerechten Etat gesprochen werde. „Wir schwimmen wirklich im Geld“, so der Esslinger Abgeordnete, „deshalb wäre es gerecht, das Geld auch auszugeben, denn jetzt brauchen die Menschen konkretes Handeln“.
„grüne Mathematik, aber nicht nachhaltig“
Der Doppelhaushalt hat ein Volumen von rund 123 Milliarden Euro. Der Ursprungsentwurf ist unter anderem verändert worden, weil sich die wirtschaftlichen Aussichten verschlechtert haben und die Konjunkturkomponente der Schuldenbremse die Aufnahme von 1,25 Milliarden Euro an neuen Krediten ermöglichte. Rainer Podeswa (AfD) kritisierte dieses Vorgehen scharf. Das sei „grüne Mathematik, aber nicht nachhaltig.“ Die Menschen sähen sich dem größten Reallohnverzicht seit Gründung des Landes gegenüber, Unternehmen stünden wegen unbezahlbarer Energiekosten zum Teil vor den Trümmern ihrer Existenz. An die grün-schwarze Koalition appellierte er: „Eröffnen Sie dem Land Zukunftsperspektiven und treten Sie zurück.“
Für Stephen Brauer (FDP), waren die Marathonsitzungen über die Einzelpläne in der vergangenen Woche Beleg für die Schwierigkeiten in der Regierung: „Man hat von der Komplementärkoalition, wo beide Partner Mittel für ihr jeweiliges Klientel bekommen, nicht auf den Krisenmodus umgeschaltet“. Wenn Mehreinnahmen existierten, wie beispielsweise durch das höhere Umsatzsteueraufkommen infolge der Inflation, würden diese umgehend ausgegeben. „Das Geld zerrinnt Grün-Schwarz zwischen den Fingern“. Gesprächskreise, Koordinierungsstellen, Leuchtturmprojekte, man komme einfach nicht in die Umsetzung, vor allem beim Klimaschutz, „weil man sich trotz der Schuldenaufnahme selbst so gefesselt hat, dass man für kraftvolle Signale schlicht kein Geld freimachen kann“. Fink (SPD) kritisierte wiederum, dass die vorhandenen Rücklagen keinen Risiken zugeordnet seien, sondern es „nur Leerstellen“ gebe.
Grüne: Weitere Schritte für den Klimaschutz
Markus Rösler (Grüne) hielt dagegen mit dem Hinweis, dass eine anderes Vorgehen schon deshalb nicht möglich sei, „weil wir nicht wissen, welche Risiken auf uns zukommen“. Grundsätzlich lobte der Finanzexperte seiner Fraktion, dass mit dem Doppelhaushalt „weitere Schritte gemacht werden, um das Land klimaneutral zu machen und die Artenvielfalt zu schützen, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken und mit Innovationsförderung den Strukturwandel in der Wirtschaft zu begleiten“.
Tobias Wald (CDU) hob hervor, dass seine Fraktion ihren Leitlinien in dieser „Vielfachkrise“ stets treu geblieben sei, den Blick aufs Wesentliche zu richten und die Finanzpolitik enkelgerecht zu gestalten. Wald verwies zudem darauf, dass auch in der Dritten Lesung noch inhaltlich gearbeitet werde, weil die Regierungsfraktionen beschlossen hätten, mehr Geld für die Waldstrategie zur Verfügung zu stellen.
Wie Martin Rivoir (SPD), der Vorsitzende des Finanzausschusses, lobte auch Minister Bayaz die Beratungen insgesamt als Beleg dafür, „wie gefestigt unser Land ist, unsere Institutionen und unsere Werte auch in schwierigen Zeiten sind“. Die Demokratie funktioniere, gerade auch in der Krise. Dieser Haushalt werde den aktuellen Erfordernissen gerecht, denn: „Wir konsolidieren, wir entlasten und wir investieren.“
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer