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Geplante Wahlrechtsreform stößt im Landtag auf breite Zustimmung
STUTTGART. Von einem „echten Grund zur Freude“ sprach Oliver Hildenbrand, der Innenexperte der Grünen, seine Skepsis ließ dagegen sein CDU-Kollege Arnulf von Eyb erkennen: In erster Lesung hat der Landtag das Paket zur Reform des Wahlrechts debattiert. Die SPD wird dem Vorhaben zustimmen, die FDP bleibt weiter bei ihrer Idee, zugleich die Zahl der Wahlkreise zur Verkleinerung des Landtags von 70 auf 60 zu reduzieren.
Für die AfD-Fraktion kritisierte Anton Baron die Medien: Es sei ihm, „ehrlich gesagt, schleierhaft, warum sich der große Teil unserer Presselandschaft im Ländle so zurückhält und die dreiste Argumentation der drei Fraktionen zu Gunsten der Wahlrechtsänderung einfach übernimmt“.
Hildenbrand lobt Engagement zivilgesellschaftlicher Gruppen
Nicht nur für die Grünen sei ein großer Erfolg, dass die Reform endlich komme, so Hildenbrand am letzten Plenartag im Jahr 2021 weiter, „denn viele zivilgesellschaftliche Gruppen haben sich dafür starkgemacht und die Politik immer wieder aufgefordert, endlich zu liefern, zuletzt vor wenigen Wochen, als der Landesfrauenrat gemeinsam mit vielen Bündnispartnerinnen und Bündnispartnern hier in Sichtweite des Landtags demonstriert hat“. Die klare Botschaft sei gewesen: „Es ist höchste Zeit“. Deshalb müsse der herzliche Dank an alle gehen, die sich über viele Jahre auf unterschiedlichen Ebenen für diese Reform starkgemacht und engagiert haben.
Auf den Weg gebracht ist die Einführung einer Landesliste, der ersten Stichwahl bei OB- und Bürgermeister-Wahlen und die Absenkung des Wahlalters auch bei Landtagswahlen auf 16 Jahre. Über letzteres ließe sich „trefflich streiten“, bekannte von Eyb. Gerade deshalb sei er dankbar, dass die SPD mitmache. „Vielleicht kann die FDP noch mal in sich gehen und sich fragen, ob sie vielleicht doch zustimmen kann“, hoffte der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Hohenlohe, „denn es wäre auf jeden Fall schön, wenn wir für diesen Gesetzentwurf noch eine breitere Zustimmung erhalten würden.“
Die wird an den Sozialdemokraten jedenfalls nicht scheitern. „Wir und auch ich ganz persönlich haben bei dieser Frage in den letzten zehn Jahren in diesem Parlament einen Prozess durchlebt“, sagte Fraktionsvize Sascha Binder und plädierte für die Reform. Er freue sich vor allem sehr, dass „wir das Thema der Einbindung von jungen Menschen hiermit voranbringen, denn sie engagieren sich überall, in den Sportvereinen, in den Kirchen, in politischen Organisationen, sie demonstrieren, sei es bei Fridays for Future oder wenn sie sich dafür aussprechen, dass der Bolzplatz an der Ecke endlich saniert wird. Sie engagieren sich in Jugendgemeinderäten, aber eines können sie erst mit 18 machen, nämlich den Landtag von Baden-Württemberg wählen“.
FDP warnt vor Aufblähung des Landtags
Grundsätzlich stellte sich auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hinter das Ziel über eine Landesliste mehr Frauen, den Einzug in den Landtag zu ermöglichen. Wer aber das Wahlrecht ändern wolle, müsse die Folgen im Blick haben: „Beispielsweise die Frage, wo die ganzen Abgeordneten sitzen sollen, wenn wir einen Landtag mit über 200 Abgeordneten bekommen, weil zwar mit dem Stimmensplitting ein zusätzlicher, treibender Faktor für mehr Mandate eingeführt, aber nicht an anderer Stelle ausgeglichen wird.“ Fakt sei, dass die Soll-Größe des baden-württembergischen Landtags bei 120 liege, die derzeitige Ist-Größe bei 154. Die Soll-Größe des Bundestags liege bei 598, die Ist-Größe nach den Wahlen im September bei 736. Ein Treiber der Entwicklung sei das Zwei-Stimmen-Wahlrecht, das jetzt im Land eingeführt werde. Die Absenkung des Wahlalters trägt die FDP jedoch mit.
Baron (AfD) musste sich von Landtags-Vizepräsident Wolfgang Reinhart (CDU) ermahnen lassen, nachdem er die Grünen in den Blick genommen hatte, die die Parität in ihrer Fraktion auch auf Basis der alten Regeln geschafft hätten: „Eine Spielart der Massenmanipulation tritt hier zum Greifen deutlich hervor. Reformen, die keiner will, außer jenen, die damit Geld und Macht mehren, werden mit moralischen Argumenten bemäntelt, aber unter dem Mantel hockt die Vogelscheuche des Egoismus.“ Reinhart verlangte, sich einer angemessene Sprache zu bedienen, die dem Parlament würdig sei. „Das war mehr als würdig, Herr Präsident“, antwortete Baron.
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer