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Wahlrechtsreform: Fraktionen dafür, AfD dagegen
STUTTGART. Beim Gesetzentwurf zur Wahlrechtsreform hat das Innenministerium in den Sommerwochen „Formulierungshilfen“ geleistet. Aus den Landtagsdebatten hat sich das von Thomas Strobl (CDU) geführte Haus bisher aber herausgehalten. Auch am Mittwoch sorgte für Verwunderung, dass bei der Aussprache über einen AfD-Antrag niemand von der Regierungsbank zur Bewertung der bisherigen und der künftigen Regeln Stellung nehmen wollte.
In seiner schriftlichen Antwort wies Staatssekretär Julian Würtenberger aber das Ansinnen der AfD zurück, das Wahlrechts so zu lassen, wie es ist. Die im Koalitionsvertrag genannten Punkte – Änderung des Landtagswahlrechts, Absenkung des aktiven Wahlalters und Absenkung des passiven Wahlalters bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre – seien „weiterhin die Grundlage des Handelns“. Zumindest indirekt ließ jedoch auch Würtenberger durchblicken, dass die von der FDP prognostizierte Aufblähung des Landtags möglich ist, denn die Einführung von Erst- und Zweitstimme biete die Möglichkeit, „zwischen der Wahl einer Bewerberin oder eines Bewerbers und der Wahl der Landesliste einer Partei zu differenzieren“.
AfD: „Derzeitiges Wahlrecht ist das Beste“
Für die AfD verteidigte Anton Baron das derzeitige Wahlrecht als das Beste, und deshalb sei der Spruch „keine Reform nötig“ 2018 das Mandala der CDU gewesen. „Es könnte einem schwindelig werden bei diesem Sinneswandel“, so der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Hohenlohe. Er erkläre sich die Einführung einer Landesliste mit dem Wahlergebnis vom März: „Genau hier liegt der Hund begraben, denn mit der Landesliste könnte auch mal Herr Strobl in den Genuss eines Mandats kommen, egal, ob im Wahlkreis der Rückhalt von den Wählern da ist oder nicht.“ Die Positionen auf der Landesliste würden „zwar formell von einem Parteitag bestimmt, aber die CDU wäre nicht die CDU und die Grünen wären auch nicht die Grünen, wenn nicht genau diese Positionen vorher genauestens von einem Klüngel aus Parteiengranden festgelegt würden“.
Daniela Evers (Grüne) widersprach vehement und zitierte aus dem AfD-Antrag, dass ein Aufstocken von Anteilen von Migranten, jungen Leuten und Vertretern anderer Minderheiten auf Kosten des Frauenanteils gehen würde. „Wenn ich mir mal den Frauenanteil in Ihrer Fraktion anschaue, kann da nicht mehr viel kommen“, sagte die Rechtsanwältin aus Freiburg und warf der AfD vor, dass die Männer in der Fraktion „die Macht nicht abgeben wollen“. Die AfD unternehme einmal mehr den untauglichen Versuch, einen Keil in die Koalition zu treiben, erklärte Thomas Blenke (CDU), „so langsam sollten Sie wissen, dass das nicht gelingt.“ Die Koalition aus Grün und Schwarz stehe für ein modernes Wahlrecht, und er sei dankbar, dass SPD und FDP zumindest in Teilen mit an Bord seien.
SPD-Fraktionsvize Sascha Binder ging auf Barons Äußerungen zum freien Mandat ein: „Sie erzählen hier immer von der freien Ausübung des Mandats, ich glaube aber, Sie haben sich damit noch gar nie beschäftigt.“ Ein Abgeordneter, der Träger eines Mandats, sei weisungsfrei, und zwar frei von Weisungen von Parteien und Fraktionen – „und selbst frei von Weisungen der Wählerinnen und Wähler und allein seinem Gewissen verpflichtet“. Julia Goll (FDP) betonte, es werde „natürlich“ bei der Direktwahl von Abgeordneten in den Wahlkreisen bleiben. Gut 50 Mandate würden über Listenbewerber vergeben werden. Das habe Vorteile, weil die Liste die Gelegenheit biete, „die Gesellschaft im Parlament ein bisschen besser abzubilden“.
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer