Verkehrsminister Hermann weist Angriffe der Opposition zurück
Stuttgart. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat seine Politik im Straßenbau gegen scharfe Angriffe der Opposition vehement verteidigt. Grün-Rot baue und plane Landes- und Bundesstraßen in Rekordhöhe, widersprach Hermann an diesem Mittwoch in der von der FDP-Fraktion beantragten aktuelle Debatte des Landtags zum Thema „Grüne Straßenbaupolitik – verschenkte Bundes-Millionen sind blamabler Schaden und inakzeptables Armutszeugnis für Baden-Württemberg“ den Vorwürfen von FDP und CDU, er habe Bundesmittel nicht genutzt und zurückgegeben.. Der Minister verwies erneut auf seine Haltung, Sanierung in den Vordergrund zu stellen. „Erhalt ist wichtiger als Neubau“, erklärte Hermann .
Zuvor hatte die Opposition den Verkehrsminister wegen der Ende vergangenen Jahres nicht abgerufener Bundesmittel für den Straßenbau scharf attackiert. Jochen Haußmann (FDP) sprach von einer „Blamage und einem Imageschaden“ für Baden-Württemberg, dass Hermann auf vom Bund kurzfristig angebotene Swing-Mittel – die Rede ist von bis zu 100 Millionen Euro – erstmals verzichtet habe. Er sprach von einer grün ideologischen Straßenbaupolitik. Er warf Hermann eine „verkehrspolitische Geisterfahrt“ vor; es sei falsch, keine neuen Straßen zu planen. Statt die wichtige Lebensader der Verkehrsinfrastruktur fit zu machen für die Zukunft, drohe ein schleichender Verkehrskollaps. „Einher gehen damit eine schleichende Deinstrualisierung und ein Verlust von Arbeitsplätzen in Baden-Württemberg“, befürchtete der Liberale. Hermann sei es gelungen, in den vergangenen drei Jahren ein Image aufzubauen, dass man heute von einem „Radverkehrsministerium“ spricht.
CDU wirft Regierung Versagen vor
Noch schärfer attackierte Nicole Razavi (CDU) die Landesregierung: Grün-Rot untergrabe den Straßenbau im Land und lasse ihn ausbluten und kämpfe nicht um Geld vom Bund. „Diese Politik schadet den Menschen, dem Land und dem Wirtschaftsstandort“, kritisierte die CDU-Verkehrsexpertin. Mittel vom Bund nicht abzurufen bezeichnete sie als „grob fahrlässig und einen Skandal ersten Ranges“. Die Regierung versage und auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Dahinter stecke Unvermögen und Verweigerung. Für Bundesfernstraßen hätten 701 Millionen Euro zur Verfügung gestanden, ausgegeben worden seien jedoch nur 675 Millionen Euro.
Hermann wies dies zurück. Baden-Württemberg habe seit 2011 mehr Geld vom Bund abgerufen als all die Jahre zuvor. „Ich verhindere nichts“, wehrte sich der Minister. Es sei doch völlig klar, dass man sich um den Zustand der Straßen kümmere, wenn 90 Prozent des Personenverkehrs und 70 Prozent des Güterverkehrs über die Straße gehe. Er reklamierte gleichzeitig eine „nachhaltige Finanzierung vom Bund“ – sonst könne man nicht planen. Die Bundesmittel würden „unkalkulierbar“ fließen, nötig sei aber eine Verkehrspolitik „der langen Hand“, um seriöse Verkehrsprojekte zu realisieren, erklärte Hermann. „Alles andere mache ich nicht mit.
Verkehrsminister: CDU hat kreditfinanzierten Straßenbau betrieben
Der Verkehrsminister warf der CDU vor, jahrelang viel versprochen und damit „kreditfinanzierten Straßenbau“ praktiziert zu haben. „Ihr wichtigstes Element war das Versprecher, ihr wichtigstes Instrument war der Spaten. Und der Spaten hat genau zum Stich gereicht, aber durchfinanziert waren Ihre Projekte selten“, konstatierte Hermann.
Gleichzeitig kritisierte er den Bund, „uns alles aus der Hand genommen zu haben“. In Baden-Württemberg gebe es laufende Bauprojekte in Höhe von 500 Millionen und baureife Projekte in Höhe von 800 Millionen Euro; doch für die 1,3 Mrd. Euro teuren Projekte „haben wir vom Bund keine Baugenehmigung bekommen“. Allein der Bund könne Baustellen für Bundesfernstraßen beginnen, habe aber „alles abgelehnt“.
Hermann gab allerdings zu, die angebotenen Mittel des Bundes nicht in Anspruch genommen zu haben. „Wir waren nicht in der Lage, zusätzliche Mittel abzurufen“, rechtfertigte er sich. Die Verwaltung sei „am Anschlag“ gewesen, nachdem noch zu CDU-Regierungszeiten 30 Prozent der Stellen im Verkehrsminister abgebaut worden sind. Wenn der Bund am Jahresende mit Geld komme, könne dies nicht funktionieren, erklärte Hermann. Die von der Opposition genannten 100 Millionen Euro bezeichnete er allerdings als „Phantomsumme“. Vor kurzem hatte er eingeräumt, dass das Land im vergangenen Jahr 15 Million Euro zurückgegeben musste, weil sie im Südwesten nicht verbaut werden konnten.
Grün-Rot weist Kritik zurück
Auch die Abgeordneten von Grünen und SPD wiesen die Kritik der Opposition zurück. Andres Schwarz (Grüne) verwies auf die Rekordsumme von 728,9 Millionen Euro, die die Landesregierung 2013 in den Straßenbau im Südwesten gesteckt habe. Zu CDU-Regierungszeiten seien dies nur 695 Millionen Euro gewesen. „Wir hätten noch mehr bauen können, wenn Mittel vom Bund gekommen wären“, sagte Schwarz und führte 18 baureife Projekte in Baden-Württemberg an. „Die Bremser sitzen nicht in Stuttgart, sondern in Bonn und Berlin“, kritisierte er.
Der CDU warf Schwarz „Irreführung der Bürger und Täuschung der Öffentlichkeit“ vor. Schließlich habe sie 155 Stellen in der Straßenbauverwaltung abgebaut; Grün-Rot dagegen habe 39 zusätzliche Stellen geschaffen.
Bund muss Verlässlichkeit erhöhen
Aus Sicht von Hans-Martin Haller (SPD) muss die Tatsache, dass Bundesmittel nicht abgerufen wurden, „Einmaligkeits-Charakter“ haben. Dies werde so nicht mehr vorkommen, versprach der SPD-Verkehrsexperte. Er sprach nach Informationen aus Berlin von einer Summe von 6,3 Millionen Euro, die Baden-Württemberg nicht abgerufen habe.
Allerdings müsse der Bund seine Verlässlichkeit erhöhen. Grün-Rot wisse sehr wohl um die Bedeutung der Infrastruktur im Südwesten – deshalb sei die Landesregierung dort zuhause, „wo Maschinen rollen und Bagger stehen“. Er wies darauf hin, dass die Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung immer mehr Umsatz leisten müssen: Baden-Württemberg liege inzwischen bei herausragenden 700 000 Euro pro Mitarbeiter, Bayern nur bei 400 000 Euro.