Untersuchungsausschuss beendet Arbeit
Stuttgart. Zweieinhalb Jahre Laufzeit, 1500 Seiten Abschlussbericht, 260 Aktenordner mit Dokumenten, 71 Beweisbeschlüsse, 30 Sitzungen mit insgesamt 135 Stunden, die Anhörung von 51 Zeugen und 48 Sachverständigen – das sind die Eckdaten des von Umfang und Auftrag in der Geschichte von Baden-Württemberg einmaligen Landtags-Untersuchungsausschusses zum Ankauf der EnBW-Aktien durch das Land Baden-Württemberg und dessen Folgen. Am Ende sind sich Regierungsparteien und Opposition im Wesentlichen nur über eines einig: Der Kauf der Aktien für rund 4,7 Milliarden Euro vom französischen Energiekonzern EdF war, so wie er im Dezember 2010 vom damaligen CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus am Parlament vorbei eingefädelt worden war, verfassungswidrig.
Vorgehen verfassungswidrig, Ergebnis wünschenswert, Preis strittig
Damit ist eine der beiden zentralen Fragen des Untersuchungsauftrags beantwortet – auch der Staatsgerichtshof war zuvor bereits zu dieser Auffassung gekommen. Bereits bei der zweiten zentralen Frage – ob der Kaufpreis angemessen und markgerecht gewesen sei – kommt der Ausschuss nicht zu einer Einigung. "Dazu gibt es unterschiedliche Bewertungen und eine Vielzahl von Gutachten", sagte der Ausschussvorsitzende Klaus Hermann (CDU) bei seiner Bilanz. "Eine vollständige Klarheit wird es nicht geben; die Antwort auf diese Frage kann nicht über das politisches Gremium getroffen werden." Die CDU hält den Kaufpreis von 4,7 Milliarden für angemessen, SPD und Grüne hingegen sind der Überzeugung, das Land habe 800 Millionen Euro zuviel bezahlt.
Einig waren sich Opposition und Regierungsparteien darüber, dass der Rückkauf der Landesbeteiligung im Prinzip richtig und es zu begrüßen sei, dass das Land als Miteigentümer wieder einen starken Einfluss auf die EnBW habe. Ebenso stellten die Parteien gemeinsam fest, dass die Aufarbeitung keine gesetzlichen Handlungsbedarf ergeben habe. "Der Untersuchungsauftrag bestand aus 25 Einzelfragen und ist politisch abgearbeitet. Alle Fraktionen sind darüber einig, dass der Ausschuss seine Arbeit beenden kann", so Hermann. Davon unbeeinträchtigt bleiben die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Stefan Mappus wegen des Verdachts auf Untreue.
Sckerl: EnBW-Kauf "war nicht nur der Deal zweier Freunde"
Völlig unterschiedlich bewerteten Opposition einerseits sowie SPD und Grüne andererseits allerdings die Verantwortlichkeiten. SPD und Grüne forderten CDU und FPD vergeblich dazu auf, ihre Mitverantwortung einzuräumen. Schließlich hätten die damaligen Regierungsfraktionen Mappus' Vorgehen im Parlament nachträglich durch ihre Zustimmung gebilligt. Uli Sckerl (Grüne) sprach von einem Lehrstück über das Aushebeln parlamentarischer Demokratie, das sich niemals wiederholen dürfe. "Das war nicht nur der Deal zweier Freunde", sagte Sckerl und erinnerte daran, dass 48 Abgeordnete von CDU und FDP, die dem Handel anschließen im Parlament zugestimmt hätten, noch immer dem Landtag angehörten. "Ich fordere Sie auf, politische Verantwortung dafür zu übernehmen" sagte Sckerl und zitierte den Schriftsteller Erich Kästner: "Am Unfug sind nicht nur die schuld, die ihn begehen, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."
Unionsvertreter Alexander Throm räumte ein: "So hätte es nicht gemacht werden dürfen. Das ist unstrittig." Letztlich aber liege eine Beteiligung des Landes an der EnBW im Interesse des Landes. "Wir alle billigen den Kauf und sind froh, die EnBw wieder in unseren zu Händen haben", sagte er. Throm sprach davon, dass es eine schwierige Aufgabe gewesen sei, im Lauf der Untersuchungs-Arbeit die Objektivität zu wahren. "Aber auch bei Grün-Rot war sie nicht durchgängig zu erkennen. Ich habe den Eindruck, dass sich einzelne an ihrem persönlichen Feindbild Mappus abgearbeitet haben", vermutete er. Neben Stefan Mappus selbst tragen für Throm und die CDU vor allem dessen Ratgeber in der Anwaltkanzlei GleissLutz – die das Vorgehen als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft hatten – und der Mappus-Freund Dirk Notheis, der als damaliger Deutschland-Chef der Investmentbank Morgan Stanley den Kauf eingefädelt und abgewickelt hatte, die Verantwortung.
Nachdenkliche Worte brachte Sascha Binder (SPD) in die Debatte ein, als er die Frage von parteipolitischer Loyalität und deren Grenzen beleuchtete und davon sprach, dass der Ausschuss Prüfsteine der Demokratie zu bewältigen gehabt habe. "Der Loyalität sind Grenzen gesetzt, und diese Grenzen setzt unsere Verfassung", sagte er. "Das Wohl des Landes wird nicht von uns definiert, nicht von einer Partei oder dem Parlament, sondern von der Verfassung", sagte Binder. "Wir alle tun gut daran, daraus zu lernen." Denn auch SPD und Grüne dürften nicht davon ausgehen, "dass uns selbst ein solcher Prüfstein nie in den Weg gelegt wird."