Schlagabtausch über die Wirtschaftspolitik
Stuttgart. Die Wirtschaftsdaten für Baden-Württemberg entwickeln sich prächtig. Grund genug für die CDU eine aktuelle Debatte zum Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg auf die Tagesordnung im Landtag zu setzen. „Die Wirtschaft im Land ist im ersten Halbjahr um fünf Prozent gewachsen“, sagte Veronika Netzhammer (CDU), die Vorsitzende des Wirtschaftsausschuss im Landtag. Deutschlandweit liege das Wachstum dagegen lediglich bei 3,4 Prozent. „Damit ist Baden-Württemberg die Konjunkturlokomotive in Deutschland und Deutschland die Konjunkturlokomotive in Europa“, sagte Netzhammer. Zwei Drittel des Wachstums seien der Binnennachfrage zu verdanken.
Baden-Württemberg Bremse in Deutschland
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Rainer Prewo, sagte dagegen, Baden-Württemberg werde länger brauchen als andere Bundesländer, um aus der Krise zu kommen. Er relativierte die fünf Prozent Wirtschaftswachstum. Sie seien vom tiefsten Punkt der Krise aus gerechnet. Man müsse aber vom Stand vor der Krise ausgehen. Baden-Württemberg sei nicht der Motor sondern die Bremse in Deutschland. Wirtschaftlich gesehen, sei Baden-Württemberg laut Prewo inzwischen hinter Hessen und Bayern zurückgefallen. Die Wachstumsraten seien in den vergangenen zehn Jahren mit durchschnittlich 0,7 Prozent unter dem Wachstum in Gesamtdeutschland gewesen wie eine Studie von McKinsey und dem Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung zeige. Zudem werde immer weniger am Standort Baden-Württemberg investiert. Zur selben Zeit aber liege das Auslandsinvestment der Unternehmen bei 40 Prozent. Der Standort sei nicht mehr attraktiv genug für hiesige Unternehmen und Investoren aus dem Ausland.
Prewo reklamierte den Aufschwung für die SPD: Während Wirtschaftsminister Brüderle einst die Kurzarbeit abgelehnt habe, trage der Aufschwung die Handschrift der einstigen Minister Steinbrück und Scholz. „Sie haben mit der Abwrackprämie und der Kurzarbeit den Grundstein dafür gelegt“, sagte er.
Mehr Anstrengungen für eine nachhaltige Mobilität und Umweltpolitik
Edith Sitzmann, die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, sagte, „die Unternehmen geben nach der Krise wieder kräftig Gas“. Aber CDU und FDP seien die Bremsen. Vor allem in der Innovationspolitik. Sitzmann zitierte Bosch-Chef Franz Fehrenbach, der der Landesregierung „Untätigkeit in der Bildungs- und Forschungspolitik“ vorgeworfen haben soll. „Der Innovationsrat hat drei Jahre getagt, aber geschehen ist bislang fast nichts“, kritisierte Sitzmann. Um die bisherige hervorragende Ausgangsposition der hiesigen Wirtschaft zu halten, seien jedoch stärkere Anstrengungen nötig vor allem auf den Gebieten einer nachhaltigen Mobilität, in der Umweltpolitik sowie im Pflege- und Gesundheitsbereich. Die Landesregierung sei hier jedoch von einer Wirtschaftsstrategie meilenweit entfernt. Das liege auch daran, dass das Wirtschaftsministerium dieses Landes nichts mit Zukunftsmodernisierung am Hut habe.
Mappus will untere und mittlere Einkommensschichten entlasten
Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) empfahl, in der Debatte über den Stuttgarter Talkessel hinauszublicken. Wenn man die Folgen der Wirtschaftskrise für Griechenland, Irland, England oder Frankreich betrachte und was derzeit in anderen Ländern diskutiert werde, dann stehe Baden-Württemberg gut da.
Mappus kritisierte die SPD für ihre Positionen bei den aktuellen Hartz IV-Reformen und der Rente mit 67. Mittlerweile habe sich die SPD von ihren eigenen Projekten verabschiedet und verfolge eine Blockadepolitik im Bundesrat. Mappus kritisierte den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel: "Gabriel hat gesagt, die Rente mit 67 sei unsozial." In der Hartz IV Debatte sprach sich Mappus dafür aus, untere und mittlere Einkommensschichten zu entlasten, um die Lohnabstandsgrenzen zu wahren. „Es ist notwendig, einen Lohnabstand für diejenigen zu haben, die acht Stunden am Tag arbeiten gegenüber denen, die nicht arbeiten würden.“ Deswegen sei man einig gewesen, dass untere und mittlere Einkommensbezieher mehr Netto haben müssten. Auch zur Lohnpolitik nahm der Ministerpräsident Stellung: „Die Arbeitnehmer müssen jetzt spürbar am Erfolg beteiligt werden.“
Mit Blick auf die Grünen äußerte sich der Regierungschef auch zur Infrastrukturpolitik. „Wer sagt, was man nicht baut, der muss sagen, wie man sich am Wirtschaftsstandort Nummer eins in Deutschland bewegen soll. Die Grünen wollten Bundesmittel nicht in Baden-Württemberg investieren, sondern in die Schineninfrastruktur in Mecklenburg-Vorpommern, da wird mancher in Berlin gaga.“
Die Bildungspolitik seiner Regierung verteidigte der Ministerpräsident: „Kein anderes Bundesland in Deutschland gibt so viel für die Bildung aus wie Baden-Württemberg." Mappus ging auch auf den zunehmenden Fachkräftemangel ein. „Wir müssen in noch größerem Maß ältere Fachkräfte länger in den Arbeitsprozess einbinden“, forderte er. Auch bei der Zuwanderungspolitik von Fachkräften sieht Mappus Handlungsbedarf" "Wir müssen die Zuwanderung von hochqualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland trennen von einer Zuwanderung ausländischer Bürger in die Sozialsysteme."
Winfried Kretschamnn, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, sagte mit Blick auf die Infrastruktur: „Es geht künftig darum, dort zu investieren, wo es am Notwendigsten ist.“ Die wirkliche europäische Magistrale gehe von Rotterdam nach Genua. Das ist eine Trasse von überwiegend ökonomischer und ökologischer Bedeutung. Die Strecke sei jedoch unterfinanziert. Die Schweiz habe ihren Teil geleistet und sei fertig, bei uns sei man lediglich zu 25 Prozent fertig. Die Frage stelle sich: Wie erreiche ich im Schienennetz die besten Mobilitätseffekte. Laut Kretschmann geht es außerdem um die Frage, ob man in "dynamische Sektoren der Volkswirtschaft" investieren wolle oder "in alte Industrien" wie die Atomkraft.
Schmiedel: Aufschwung dank Kurzarbeit und Abwrackprämie
Die Ursache, weshalb die Industrie in Baden-Württemberg schneller aus der Talsohle gekommen sei als erwartet, habe nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel nichts zu tun mit der Arbeit der baden-württembergischen Landesregierung. Dies sei auf Bestellungen aus dem Ausland zurückzuführen. Die politische Verantwortung, weshalb die Krise relativ glimpflich vorübergegangen sei, sei zudem auf die Verlängerung der Kurzarbeit zurückzuführen aber auch auf die Abwrackprämie. Vor dem Hintergrund der Debatte um Lohnerhöhungen, seien jetzt laut Schmiedel die Arbeitnehmer dran. Sie verdienten nun „einen kräftigen Schluck aus der Pulle“. Schmiedel übte scharfe Kritik an der Zeitarbeit. „40 Prozent der angebotenen Stellen seien im Weg von Leiharbeit ausgeschrieben“. „Wir wollen nicht, dass Leiharbeit die Stammbelegschaft ersetzt“, sagte der SPD-Fraktionschef. Schmiedel unterstich die SPD Forderung nasch einem gesetzlichen Mindestlohn.
Schiedel forderte zur Finanzierung des Mittelstands „andere Instrumente als den klassischen Bankkredit“. Die neuen Basel III-Regelungen würden die Finanzierung des Mittelstands erschweren. Der mittelständischen Industrie müsse es ermöglicht werden, an der Bank vorbei, direkt an den Kapitalmarkt zu gehen. Zur Rente mit 67 forderte er: „Es müssen zuerst die Voraussetzungen für die Rente mit 67 geschaffen werden.“ Heute seien weniger als ein Prozent der Mitarbeiter in den Betrieben über 60 Jahre alt. Man brauche daher verschiedene Instrumente. Ein Schaffer der 40 Jahre in der Produktion gearbeitet habe, müsse anderes behandelt werden als jemand der erst mit 30 Jahren ins Berufsleben eingestiegen sei.
Quelle/Autor: Wolfgang Leja