Debatten im Landtag vom 25. und 26. Juni 2014

Rücknahme für Castoren heftig umstritten

Stuttgart. Verantwortungslosigkeit, Heuchelei und den Aufruf zum Rechtsbruch haben Vertreter der grün-roten Regierungsfraktionen sowie Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) der Landtags-CDU sowie deren Fraktionschef Peter Hauk in einer aktuellen Debatte zum Umgang mit den aus dem Ausland zurückkehrenden radioaktiven Abfällen vorgeworfen. Hintergrund der von den Grünen beantragten Debatte war die zuletzt von CDU-Fraktionschef Peter Hauk wiederholt […]

Stuttgart. Verantwortungslosigkeit, Heuchelei und den Aufruf zum Rechtsbruch haben Vertreter der grün-roten Regierungsfraktionen sowie Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) der Landtags-CDU sowie deren Fraktionschef Peter Hauk in einer aktuellen Debatte zum Umgang mit den aus dem Ausland zurückkehrenden radioaktiven Abfällen vorgeworfen.
Hintergrund der von den Grünen beantragten Debatte war die zuletzt von CDU-Fraktionschef Peter Hauk wiederholt kritisierte Zusage von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), fünf der insgesamt 26 Castoren, die im kommenden Jahr von der Bundesrepublik aus den Wiederaufbereitungsanlagen im französischen La Hague und im britischen Sellafield zurückgenommen werden müssen, nach entsprechenden Vorbereitungen in Philippsburg zwischenzulagern.
Fraktionsvorsitzende Edith Sitzmann (Grüne) äußerte Verwunderung über Hauks Aussagen und ermahnte die CDU, sich ihrer besonderen Verantwortung über die Frage zu stellen, was mit dem radioaktiven Abfall passieren solle. Unter der CDU-Regierung habe Baden-Württemberg jahrzehntelang Atomenergie genutzt und diesen Müll mit produziert, während die Grünen seit ihrer Gründung gegen die Atomkraftnutzung gewesen seien. „Wir haben von Anfang an vor dieser schweren Erblast gewarnt und gefragt, was mit dem Abfall passieren soll“, so Sitzmann.
Nach dem Sankt-Florians-Prinzip zu verlangen, nun selbst verschont zu bleiben, „das geht überhaupt nicht“, sagte Sitzmann zum CDU-Fraktionschef. Hauks Aussage, man sei mit Gorleben als Zwischenlager schon weiter gewesen als nun nach dem im Bund ausgehandelten Konsens zur Endlagersuche, nannte Sitzmann „skandalös“. „Damit haben Sie sich gegen die eigene CDU im Bund und gegen die Kanzlerin gestellt.“ Sitzmann forderte von der CDU „klare Antworten, wie sich die Fraktion zum Konsens der Länder und der Kanzlerin stellen und ob Sie Verantwortung übernehmen für Ihre Politik der letzten Jahrzehnte.“

„Problem ist ohne Not entstanden“,  sagt Ex-Umweltminister Müller

Der frühere CDU-Umweltminister Ulrich Müller warf seinerseits der Landesregierung vor, die Belange des Landes im Bund nicht vertreten zu haben und den eigenen Ansprüchen nicht gerecht geworden zu sein. Müller verwies darauf, dass es mit Gorleben ein genehmigtes Zwischenlager gegeben habe, auf dessen Nutzung im Rahmen des Konsenses zur Endlagersuche als „vertrauensbildende Maßnahme gegenüber Niedersachsen“ verzichtet worden sei. „Dieses Problem ist ohne Not entstanden. Baden-Württemberg hat das Problem nicht nur mit ausgelöst, sondern auch ins Land geholt“, sagte Müller. Zudem verstoße die Zusage der Landesregierung auf Rücknahme von fünf Castoren gegen alle politischen Prinzipien und gegen die von grün-rot propagierte Politik des Gehörtwerdens. „Diese Zusage wurde ohne weitere Klärung der technischen und sicherheitstechnischen Belange gegeben“, so Müller weiter, „und die EnBW als Betreiber von Philippsburg erwartet zurecht, dass der, der bestellt, auch bezahlt.“ Die Informationspolitik gegenüber den örtlichen Handelnden nannte Müller „unterirdisch“. „Was wir haben, ist: örtlichen Widerstand, Widerstand der EnBW und ungleiche Lastenverteilung in Deutschland“, so Müller. Das Vorgehen der Landesregierung sei „stümperhaft“ gewesen.
In seiner Erwiderung auf Müller zeigte sich Johannes Stober (SPD) „entsetzt“ über dessen Äußerungen. „Sie haben zu glattem Rechtsbruch aufgefordert“, so Stober, der darauf verwies, dass seit dem Endlagersuchgesetz das Zwischenlagern von Castoren in Gorleben verboten sei. „Kernenergie ist ein Sicherheitsrisiko, der Betrieb, die Entsorgung, der Transport. Ein Problem, das wir über Jahre nicht beachtet  haben“, so Stober. „Wer sich über Jahre diesen Problemen widersetzt hat, hat nicht das Recht, sich in diesem Haus so aufzuführen.“
„Blinden Aktionismus, Populismus und vielleicht auch ein Mangel an Sachkenntnis“ nannte die Debatte zu diesem Zeitpunkt dagegen der FDP-Abgeordnete Andreas Glück. „Es ist noch nicht mal ein Antrag auf die Zwischenlagerung da, die Kostenfrage und die Technik sind ungeklärt.“ Zudem wollte Glück von Umweltminister Untersteller wissen, ob er gedenke, politischen Druck auf die EnBW auszuüben, falls diese den Antrag auf die Zwischenlagerung der fünf Castoren nicht stelle.

„Wir haben uns der Verantwortung gestellt“,  antwortet Müllers Nachfolger Untersteller

Untersteller selbst mühte sich, die emotionale und von heftigen Zwischenrufen begleitete Debatte zu versachlichen, und wiederholte die beim Endlagersuchgesetz vom damaligen Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) zugrunde gelegten Punkte zum Umgang mit den radioaktiven Abfällen. „Nur, wenn es gelingt, in kommenden Jahren gemeinsam einen Standort für die Abfälle zu finden, dann haben wir die Chance, dass die Abfälle auch langsam abfließen“, sagte Untersteller. „Wir haben uns der Verantwortung gestellt. Sie verabschieden sich davon, das finde ich schon einen Hammer“, sagte Untersteller in Richtung CDU und FDP. Über die Äußerungen von Glück und Müller zeigte sich Untersteller überrascht: „Sie ersetzen das Prinzip Verantwortung durch das Prinzip Verantwortungslosigkeit. Ich habe schon 2010 gesagt, dass der Müll dahin zurück müsste, wo er herkam. Ich habe mich nicht gedreht, Sie haben sich gedreht.“ Untersteller appellierte an die Opposition, den Endlagersuch-Konsens nicht zu gefährden. „Diese politischen Debatten helfen uns nicht. Beteiligen Sie sich an dem Konsens, und unterminieren Sie ihn nicht, wie Sie es in den vergangenen Tagen gemacht haben.“

Quelle/Autor: Ulrike Bäuerlein

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25. und 26. Juni 2014