Regierung und Opposition streiten über doppelte Staatsangehörigkeit
Stuttgart. Auch David MacAllister spielte am Mittwoch kurz eine Rolle in der Debatte im Landtag: Dieses Mal dient der Noch-Ministerpräsident des Landes Niedersachsen als Beispiel für eine doppelte Staatsbürgerschaft. „Welchen Pass gibt er ab?“, fragt die Landtagsabgeordnete Rosa Grünstein (SPD) provokant bei der aktuellen Debatte. Sie wirft der schwarz-gelben Koalition in Berlin vor, mit unterschiedlichem Maß zu messen: Türkischen Migranten werde ein Loyalitätskonflikt unterstellt, wenn sie sich nicht zwischen türkischem und deutschem Pass entscheiden könnten, was im Alter von 23 Jahren nach dem Einbürgerungsgesetz von 2000 von ihnen verlangt werde. Promis wie David MacAllister oder auch der verstorbene Otto von Habsburg (CSU) hätten dagegen selbstverständlich mehrere Pässe in der Schublade.
Diese Regelung möchte die rot-grüne Landesregierung gerne kippen, was jedoch einzig nach einem Regierungswechsel bei den nächsten Bundestagswahlen möglich wäre. Integrationsministerin Bilkey Öney (SPD) argumentiert mit einer Studie der Bertelsmann-Stiftung: Danach habe die Einbürgerung einen unmittelbaren Effekt auf das Einkommen der Betroffenen. Mit dem deutschen Pass steige es sprunghaft an. Deshalb spreche sich die Bertelsmann-Stiftung für die Abschaffung der sogenannten Optionspflicht aus, also für die Notwendigkeit, sich mit 23 Jahren für eine Staatsbürgerschaft entscheiden zu müssen.
Baden-Württemberg mit niedrigster Einbürgerungsquote
Baden-Württemberg sei mit 1,08 Prozent ohnehin eines der Bundesländer mit der niedrigsten Einbürgerungsquote in Deutschland, unterboten werde es nur noch von Thüringen, Sachsen und Bayern. Bei Migranten, die bereits zehn Jahre im Land lebten, liege das Land sogar ganz hinten. Mit der Abschaffung des Leitfadeninterviews, einer besseren Anrechnung von Studien- und Ausbildungszeiten sowie einer Abschaffung der Regelanfrage beim Regierungspräsidium habe man die Hürden der Einbürgerung bereits spürbar gesenkt. Postwendend seien im Jahr 2011 und 2012 die Einbürgerungen in Baden-Württemberg deutlich angestiegen. Ein Doppelpass für alle würde diesen Trend noch verstärken.
Rosa Grünstein (SPD) zitiert aus einem Brief einer 23 jährigen jungen Frau, die als Unternehmensjuristin derzeit entscheiden müsse, für welche Staatsbürgerschaft sie sich entscheide, die deutsche oder die türkische. „Dabei weiß ich noch nicht, wohin die Reise beruflich geht“, zitiert Grünstein das Dilemma der jungen Frau. Daniel Andreas Lede Abal (Grüne) merkt an, bereits heute werde teilweise in fast der Hälfte aller Fälle eine Mehrstaatlichkeit hingenommen, lediglich im Umgang mit der Türkei sei man besonders zurückhaltend. Er fordert eine Verkürzung der Aufenthaltsdauer in Deutschland für Ausländer von acht auf fünf Jahren, um die Einbürgerung von Ausländern zu beschleunigen. Außerdem sollten die Gebührensätze für Einbürgerungen gesenkt werden, die sich schnell auf einen vierstelligen Betrag für eine Familie summieren könnten.
Lasotta: Von 23-jährigem kann man klares Bekenntnis erwarten
Bernhard Lasotta (CDU) wirft Ministerin Öney vor, sich auf Nebenschauplätze zu begeben, denn Einbürgerung sei nun mal eine Bundesangelegenheit. Tatsächlich liege die Verweigerung des Doppelpasses für junge Türken daran, dass die Türkei ein seit 1997 vorliegendes Abkommen nicht unterzeichnet habe, ganz im Gegensatz zu den meisten europäischen Nachbarn. Deshalb bleibe es hier bei der Optionspflicht, die im übrigen eine rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 eingeführt habe. Er halte es für zumutbar, von 23-jährigen Menschen ein klares Bekenntnis zum einen oder anderen Staat zu verlangen.
Auch Andreas Glück (FDP) wirft der Integrationsministerin vor, ihre Hausaufgaben im Land nicht zu machen. Sie solle sich lieber um den Fachkräftemangel im Land kümmern, und gemeinsam mit den Handelskammern nach Möglichkeiten suchen, wie die zahlreichen arbeitslosen Südeuropäer in Spanien und Griechenland im deutschen Arbeitsmarkt untergebracht werden könnten. Er kündigt an, seine Partei sei auf Bundesebene für eine Reduktion der Aufenthaltszeit auf fünf Jahre vor einer Einbürgerung, allerdings nur, wenn die Antragssteller „ausgezeichnete Integrationsleistungen“ vollbracht hätten. Erst käme die Integration, dann die Einbürgerung, nicht umgekehrt.