Opposition und Grün-Rot streiten weiter über Flüchtlingspolitik
Stuttgart. Die Opposition im Landtag hat der Landesregierung erhebliche Mängel in der Flüchtlingsproblematik vorgeworfen. Nur mit einem Gesamtkonzept zur Flüchtlingshilfe ließen sich menschenwürdige Zustände, schnellere Verfahren, eine bessere Integration und zügige Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern erreichen, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke am Mittwoch in der von der CDU-Fraktion beantragten aktuellen Debatte „Kommunen entlasten – Flüchtlinge gezielt unterstützen“.
Die Landesregierung spiele in der Flüchtlingsfrage anderen den Schwarzen Peter zu und verschließe sich Vorschlägen zur Bewältigung der Flüchtlingsströme, kritisierte CDU-Fraktionschef Guido Wolf. Grün-Rot offenbare „eklatante Widersprüche und Defizite“, was angesichts der bis zum Jahresende zu erwartenden mehr als 52 000 Flüchtlingen in Baden-Württemberg abgestellt werden müsste. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Innenminister Reinhold Gall und Integrationsministerin Bilkay Öney (beide SPD) würden öfters unterschiedliche Positionen beziehen. Dies wirke sich nicht positiv auf die Herausforderungen von „menschenwürdigen Rahmenbedingungen“ in der Flüchtlingsthematik aus. Zudem verteufele Grün-Rot „reflexartig“ alle Vorschläge von anderen. Die CDU wolle eine Bündelung von Zuständigkeiten, um die Asylverfahren zu beschleunigen, erklärte Wolf und warb erneut für Landeskompetenzzentren.
Seit 2012 wurden Erstaufnahmeplätze verzehnfacht
Im Hinblick auf den von der Landesregierung am 27. Juli geplanten zweiten Flüchtlingsgipfel sagte der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2016: „Die Herausforderung ist so groß, dass wir gut beraten wären, schnelle Entscheidung zu treffen, die vor allem die entlasten, die die Aufgaben vor Ort schultern müssen.“
Aus Sicht von Integrationsministerin Öney eignen sich Flüchtlingsschicksale nicht für Wahlkampfschlager. Viele Forderungen der Opposition seien bereits erfüllt, derzeit in Umsetzung oder nicht realisierbar. Seit 2012 sei die Zahl der Erstaufnahmeplätze im Südwesten von 900 auf 9000 Plätze verzehnfacht worden. Neben den Landeserstaufnahme-Einrichtungen (LEA) in Karlsruhe, Meßstetten und Ellwangen würde noch in diesem Jahr eine LEA in Mannheim und später auch Einrichtungen in Freiburg und Schwäbisch Hall folgen. In diesen LEA würde „Hand in Hand“ gearbeitet; dort „passiert alles“, außer verwaltungsgerichtliche Entscheidungen.
Öney kündigte an, die Landesregierung werde die Erstaufnahme weiter stärken und die Rahmenbedingungen für die Stadt- und Landkreise (finanziell und baurechtlich) verbessern. „Bund, Ländern und Kommunen sind eine Verantwortungsgemeinschaft“, erklärte die Ministerin. Bei einer durchschnittlichen Laufzeit der Asylverfahren von derzeit mehr als einem Jahr müsse der Bund diese Verfahren „schneller bearbeiten“. Kritik der Opposition konterte die SPD-Politikerin mit dem Hinweis auf die bessere finanzielle Unterstützung der Kommunen sowie die Aufstockung der Mittel für Sprachförderprogramme. Außerdem seien Asylverfahren in drei Monaten nicht machbar.
Grüne erteilen Wiedereinführung der Visumspflicht eine Absage
Auch die Sprecher von Grünen und SPD bewerteten die Arbeit der Landesregierung in der Flüchtlingspolitik positiv. Die Herausforderungen seien „mutig angepackt“ worden, sagte Daniel Lede-Abel (Grüne). Dem Vorschlag der CDU auf Wiedereinführung der Visumspflicht in sicheren Herkunftsländern erteilte er eine Absage: „Dann kommen noch mehr Flüchtlinge.“ Auch die von der CDU favorisierten Bezirksstellen würden keine schnellere Entscheidung in den Verfahren bringen. „Die CDU bedient Stammtisch und Populismus“, warf Lede-Abal der Opposition vor.
Die von der CDU angeregte Umwandlung der Geld- in Sachleistungen macht aus Sicht von Rosa Grünstein (SPD) keinen Sinn: Die Taschengeld-Regelung könne aufgrund der rechtlichen Regelungen nicht geändert werden. Sie räumte zwar räumliche Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen ein und sprach von derzeit in Baden-Württemberg unbearbeiteten 25 000 Anträgen von Flüchtlingen; aber dies liege am Personal, für das der Bund und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig sei. Grünstein sieht auch die Aufnahme neuer Länder in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten kritisch: Dies werde „nichts bringen“, denn Menschen seien auf dem Weg in eine sichere und bessere Zukunft „nicht aufzuhalten“.Die CDU-Forderung nach einem Landeskompetenzzentrum sei eine „Mogelpackung“.
Andreas Glück (FDP) bezeichnete das Recht auf Asyl als das „wichtigste Recht überhaupt“. Dennoch müsse beim Asyl gerecht, strukturiert, gut und schnell vorgegangen werden. „Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz“, sagte der Liberale, der sich auch für Sach- statt Geldleistungen aussprach. Glück forderte ein Gesamtkonzept, das es ermöglicht, die Asylverfahren innerhalb von drei Monaten in den LEA durchzuziehen. Dies sei nicht zu schaffen, erwiderte Ministerin Öney.