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Debatten im Landtag

Lob für das Landesplanungsgesetz, Kritik bei Mobilität und Bauen

Ende des vergangenen Jahres hatten sich Grüne und CDU auf mehrere Gesetzesvorhaben verständigt. In erster Lesung wurden nun im Landtag das Landesmobilitätsgesetz, das Landesplanungsgesetz und das Gesetz für schnelleres Bauen beraten. Besonders umstritten ist das Landesmobilitätsgesetz. Ein Bericht von Stefanie Schlüter,
Michael Schwarz
und Wolfgang Leja.

Ursprünglich hatte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die Radkoordinatoren - vom Land bezahlt - in jedem Stadt- und Landkreis vorgesehen. Nach Widerstand des Landkreistags und der CDU ist nun eine Opt-out-Regelung vorgesehen.

IMAGO/imagebroker)

Stuttgart . Das Landesmobilitätsgesetz von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte bereits im Vorfeld hohe Wellen geschlagen, wurde vergangenes Jahr in seiner ursprünglichen Form auch vom Koalitionspartner CDU abgelehnt. Die Opposition ließ im Landtag kein gutes Haar an dem Gesetzesvorschlag.

Jan-Peter Röderer (SPD) sagt: „Der grün-schwarze Regierungsberg hat gekreist und eine Maus geboren.“ Christian Jung (FDP) erklärt: „Wir brauchen das Landesmobilitätsgesetz nicht“ und fordert, dieses Gesetz 2026 zum Ende der Legislaturperiode auslaufen zu lassen. Und auch die AfD lehnt den Gesetzentwurf ab. Rüdiger Klos spricht von einem „Bürokratiemonster“.

Gesetz soll Kommunen Gestaltungsspielräume eröffnen

Doch um was geht es genau? Die Idee hinter dem Gesetz: Alle Menschen sollen mobil sein können. Und zwar so, dass dies klimaschonend, barrierefrei, bezahlbar und zuverlässig möglich ist. Das macht Verkehrsminister Winfried Hermann bei der Einbringung des Landesmobilitätsgesetzes deutlich.

Dazu soll das Gesetz den Kommunen mehr Gestaltungsspielräume eröffnen. Wobei diese selbst entscheiden können, ob sie sie nutzen wollen, wie Hermann betont. Etwa wenn es darum geht, in den Landkreise Radkoordinatoren zu beschäftigen, die dafür sorgen, dass Radwege nicht an Ortsgrenzen enden. Eine Tatsache, die Radfahrern schnell den Spaß verderben kann und diese oft auch gefährdet. Ursprünglich hatte Hermann diese Radkoordinatoren – vom Land bezahlt – in jedem Stadt- und Landkreis vorgesehen. Nach Widerstand des Landkreistags und der CDU ist nun eine Opt-out-Regelung vorgesehen. Wer nicht will, muss auch nicht.

Fachpersonal für Koordination von Radwegen wird bereits gefördert

Bereits heute wird entsprechendes Fachpersonal vom Land in 25 der 44 Stadt- und Landkreise gefördert. Laut dem Gesetz wird für die Radkoordinatoren für alle Kreise mit Kosten für das Land von 4,5 Millionen Euro gerechnet.

Weitere Möglichkeiten für die Kommunen sind etwa die Parkraumbewirtschaftung. Jeder fünfte Unfall mit Fußgängern und Radfahrern entstehe aus Situationen mit falsch geparkten Autos, so Hermann. Mit der digitalen Parkraumbewirtschaftung wird es so ermöglicht, Falschparker digital quasi im Vorbeifahren zu erfassen. Die entsprechend ausgestatteten Fahrzeuge der Kommunen könnten so innerhalb einer Stunde rund 1000 Fahrzeuge kontrollieren. Im Vorfeld wurde bereits mit dem Datenschutzbeauftragten geklärt, dass das Verfahren auch datenschutzkonform ist. Auch Mobilitätsdaten für eine bessere Verkehrslenkung sollen künftig zur Verfügung stehen.

Mobilitätspass besonders umstritten

Besonders heftig diskutiert wurde in den vergangenen Monaten bereits der Mobilitätspass. Diesen können Kommunen einführen, wenn sie den öffentlichen Nahverkehr über die Vorgaben des Landes hinaus ausbauen wollen. Dazu können sie entweder von allen Fahrzeughaltern oder allen Bürgern in der Stadt eine Abgabe erheben. „Das funktioniert auch mit kleinen Beträgen, zum Beispiel zehn Euro pro Monat“, sagt Hermann. Über eine Gutschrift für eine Zeitfahrkarte des ÖPNV soll das Geld auch wieder an die Bürger zurückfließen. „Die Bürger zahlen nicht einfach eine Abgabe, sondern erhalten auch ein Mobilitätsguthaben“, macht Silke Gericke für die Grünen deutlich. Und sich betont, nachhaltige Mobilität sei kein Luxus. Vielmehr entscheide sie beispielsweise auch darüber, ob Kinder sicher zur Schule kommen oder alte Menschen noch mobil sein könnten.

Hermann erinnerte zudem daran, dass bereits unter dem CDU-Ministerpräsidenten Lothar Späth eine Nahverkehrsabgabe geprüft worden sei. Eine spätere Umsetzung sei damals am Koalitionspartner gescheitert.

CDU stellte sich gegen Citymaut und Arbeitgeberabgabe

Ursprünglich waren noch zwei weitere Finanzierungsmodelle im Gespräch: eine Citymaut und eine Arbeitgeberabgabe. Beides war mit der CDU nicht zu machen, auch wenn sie bei den Kommunen durchaus gewünscht war. „Wir sind im dritten Jahr einer Wirtschaftskrise“, stellte Thomas Dörflinger (CDU) klar. Er betonte, dass man über das Gesetz viel gerungen habe, oft bis spät in die Nacht, „aber immer fair“.

Was Dörflinger als Sieg feiert, macht für Jan-Peter Röderer von der SPD allerdings den Mobilitätspass wirkungslos. Wenn eine Großstadt wie Stuttgart nun einen solchen Pass einführen wolle, würde er all die Pendler, die täglich in die Stadt fahren, nicht betreffen. Diese hätte man über eine Citymaut oder eine Arbeitgeberabgabe erreicht. Letzter habe sich beispielsweise in Wien längst bewährt.

Saubere-Fahrzeug-Richtlinie der EU wird 1:1 umgesetzt

Dörflinger zeigte sich auch erleichtert, dass die Umsetzung der Clean Vehicle Richtlinie der EU nun nur die EU-Vorgabe beinhalte und keine Übererfüllung, wie im ersten Entwurf des Ministeriums. „Das hätte die Kommunen und Busunternehmen überfordert“, so Dörflinger. Denn diese Richtlinie für saubere Fahrzeuge umfasst Busse ebenso wie kommunale Fahrzeuge für die Müllabfuhr.

Im Verkehrsausschuss wird nun weiter über den Gesetzentwurf debattiert. Auf Antrag der FDP findet dort nochmals eine Expertenanhörung statt, bevor das Gesetz erneut im Landtag behandelt wird.

Ganz anders ist die Tonlage beim Landesplanungsgesetz, das ebenfalls am Mittwoch beraten wird. Niemand ist gegen die geplante Digitalisierung und Beschleunigung der Verfahren. Wohnungsministerin Nicole Razavi (CDU) bekommt Lob von allen Seiten, sogar von ganz rechts. Hans-Jürgen Goßner (AfD) sagt, dass ihr Ministerium „der Motor und der Taktgeber in dieser Landesregierung ist“.

Die Ministerin selber spricht vom „Bremsen lösen und Tempo machen“. Dies seien die Erwartungen, die die Planer und Bauherren in Baden-Württemberg an die Politik hätten. Der Gesetzentwurf sei die nächste wichtige Station auf diesem Weg. Die Raumordnungsplanung werde effizienter, robuster und digitaler.

Razavi hebt einen Punkt hervor: den konsequenten Abschied vom Papier. „Entweder meinen wir es mit der Digitalisierung ernst oder wir lassen es“, sagt sie. Jonas Hoffmann (SPD) kommentiert: „Diese Erkenntnis, dass genau das wichtig ist – wenn ich parallele Prozesse etabliere, habe ich einen hohen Aufwand –, wünsche ich mir bei allen Digitalisierungsprozessen.“

Erik Schweickert (FDP) erinnert daran, dass anderthalb Jahre zwischen der Fertigstellung des Gesetzentwurfs und der Befassung im Parlament vergangen seien und spekuliert, dies habe wohl damit zu tun, dass die Grünen durch die Hintertür Flächensparziele einbringen wollten. „Da ist der CDU und auch Ihnen, Frau Ministerin, zu danken, dass Sie sich auf dieses Spiel nicht eingelassen haben“, sagt der Liberale.

Der Gesetzentwurf wird an den Ausschuss weitergeleitet. Mit breiter Zustimmung in zweiter Lesung darf die Ministerin wohl rechnen.

Razavi legt am Donnerstag auch ihren Gesetzentwurf zur Reform der Landesbauordnung vor. „Er trägt eine klare Handschrift: Verfahren vereinfachen, Regelungen entschlacken, Baustandards absenken“, sagt sie. Um baurechtliche Verfahren zu beschleunigen, sieht das Gesetz eine Genehmigungsfiktion im vereinfachten Verfahren vor. „Das bedeutet: Sobald ein Antrag vollständig inklusive der geforderten Stellungnahmen vorliegt, läuft die Uhr spätestens nach drei Monaten ab“, so Razavi. „Dann gilt das Projekt als genehmigt.“ Weil einige befürchten, dass mit der Genehmigungsfiktion die Zahl der Klagen steigen könnte, will Razavi die Verwaltungsgerichte stärken. Sie erhalten acht zusätzliche Richterstellen.

Kritik kommt von der Opposition. Klaus Ranger (SPD) bezeichnete das Gesetz als „Mogelpackung“. „Damit wird nicht schneller gebaut, sondern höchstens die Genehmigungszeiten verkürzt.“ Er kritisiert den Wegfall des Widerspruchsverfahrens. Das nehme den Baurechtsbehörden jeglichen Spielraum, in strittigen Verfahren zu vermitteln. Für Miguel Klauß (AfD) widerspricht allein der Umfang des Gesetzes mit 78 Seiten dem Ziel, schneller zu bauen. Er forderte einen Wegfall der Pflicht für Bauherren, einen Kinderspielplatz zu bauen. Laut Gesetzentwurf sollen Bauherren künftig eine Ablöse zahlen können.

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