Landtag verurteilt Rechtsextremismus
Stuttgart. Die Fraktionen von Grünen, CDU, SPD und FDP haben am Donnerstag im Landtag jegliche Art von Rechtsextremismus verurteilt. Auch die AfD verurteilte den Rechtsextremismus wie jegliche andere Gewalt.
Alexander Maier (Grüne) sagte mit Blick auf den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU), Schock und Trauer darüber „wird uns nicht lähmen“. 40 Prozent der in Rathäusern und Behörden tätigten Haupt- und Ehrenamtlichen hätten Erfahrungen mit Stalking, Beschimpfungen oder Drohungen. Solche Anfeindungen, gerade in Ausübung der für die Demokratie wichtigen Ehrenämter, seien nicht hinnehmbar.
Maier warnte, die Gefahr werde oft unterschätzt und heruntergespielt. Er offenbarte, dass er vor sechs Jahren auch Morddrohungen von Neo-Nazis erhalten habe. „Es darf in diesem Land keine Angst machen, sich zu engagieren“, konstatierte er. Maier warf der AfD vor, Mitschuld an rechtsextremen Verbrechen zu haben. Außerdem forderte er, die Prävention zu stärken und den Mut zu haben, sich zu wehren. Seine Fraktion werde die offene Gesellschaft nicht zerstören lassen.
Auch Arnulf Freiherr von Eyb (CDU) verurteile „die abscheuliche Tat“ von Kassel aufs Schärfste. Man müsse jetzt den Generalbundesanwalt und den Verfassungsschutz ihre Arbeit machen lassen; bei dem Lübcke-Mörder habe man es offenbar jedoch mit einem Schläfer zu tun. Der CDU-Abgeordnete sagte, in Baden-Württemberg werde die Polizei und der Verfassungsschutz alles tun, um ähnliche Taten zu verhindern.
Man könne zwar nicht verhindern, dass Gewaltbereite zu Waffen greifen. Es sei auch nicht möglich, alle gefährdeten Personen des öffentlichen Lebens zu schützen. Aber man könne dem Extremismus den Nährboden entziehen und vor allem gegen Hetze im Internet vorgehen. „Hasskommentare dürfen nicht ungestraft verbreitet werden“, forderte von Eyb. Medien und Strafbehörden seien gefordert, die Prävention müsse schon bei Kindern und Jugendlichen ansetzen. Er sprach sich dafür aus, auch im privaten Bereich bei Extremismus einzuschreiten und generell wachsam zu. „Sonst werden wir der Hetze nicht mehr Herr.“
SPD-Fraktionschef kritistiert, nicht alle in der CDU hielten genug Distanz zur AfD
Es sei tragisch, dass erst ein politischer Mord den Landtag dazu bringe, was in diesem Land geschehe, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch (SPD). Weil viele Engagierte sich von Hass und Beleidigung, Verleumdungen und Drohungen nicht einschüchtern lassen wollten, hätten sie sich ein dickes Fell zugelegt. Der Fall Lübcke lehre „uns, dass wir vielleicht schon zu viel ausgehalten haben“.
Stoch griff direkt die AfD an. Sie stelle bewusst die Weichen auf Entgleisung, verachte die Spielregeln der Demokratie und bediene sich sprachlicher Entgleisungen. „Wer lange genug mit Sprache zuschlägt, schlägt irgendwann auch mit Gewalt zu“, stellte Stoch fest.
Er kritisierte auch die CDU; einige ihrer Mitglieder würden sich immer noch in Richtung AfD recken. Er forderte die Landesregierung auf, die Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses umzusetzen, vor allem in der Prävention. Die kleine, aber gefährliche Zahl Rechtsextremer stelle ein ständiges Risiko dar. Deswegen müsse sich der Staat und die Mehrheit der Gesellschaft ständig zur Wehr setzen.
Nico Weinmann (FDP) sagte, angesichts von bundesweit fast 13000 bekannten gewaltbereiten Rechtsextremisten dürfe nach der abscheulichen Ermordung von Walter Lübcke nicht zur Tagesordnung übergegangen werden. „Wir müssen hier künftig noch genauer hinsehen und konsequent die Lehren aus dem NSU-Terror, die in zahlreichen Untersuchungsausschüssen aufgearbeitet wurden, umsetzen.“
Sorgen mache ihm die zunehmende Verrohung der Sprache, gerade auch in den sozialen Medien. Dabei zeige sich auch die AfD als Biedermann und motiviere und fördere durch das bewusste Aufheizen des politischen Klimas mitunter das Werk des Brandstifters. „Die Verrohung durch Taten beginnt mit der Verrohung der Sprache“, sagte Weinmann.
Meinungsfreiheit sei zwar ein besonders hohes Gut, wenn aber gegen Minderheiten gehetzt werde und Andersdenkende bedroht und eingeschüchtert würden, müsse der wehrhafte Rechtsstaat entschlossen handeln. „Alle Demokraten müssen geschlossen zusammenstehen und jede Form von Extremismus, gleich ob rechts oder links, national, völkisch oder religiös, ablehnen und konsequent bekämpfen“, forderte der FDP-Abgeordnete.
Laut Innenminister Strobl ist in der AfD Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus zuhause
Auch Innenminister Thomas Strobl (CDU) griff die AfD scharf an. In der AfD seien Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus zuhause. Der Kampf gegen den Rechtsextremismus beginne deshalb mit der klaren Abgrenzung zu Brandstiftern und Biedermännern. Mit ihnen dürfe es keinerlei Zusammenarbeit geben. „Wir nehmen die Gefahren von Rechtsextremismus sehr ernst“, erklärte der Innenminister angesichts von derzeit 1700 Rechtsextremen im Südwesten (im Vorjahr 1630), darunter 770 Gewaltorientierten, und 1375 Straftaten (im Vorjahr 1318).
Strobl gab zu, im Land noch „nicht optimal“ aufgestellt zu sein. Deshalb erinnerte er den Koalitionspartner, die Grünen, an die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, das Landesamt für Verfassungsschutz als Frühwarnsystem bedarfsgerecht auszubauen, personell besser auszustatten und so die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden weiter zu verbessern. Strobl setzt auch auf Prävention. So gehörten keine Waffen in die Hände von Reichsbürgern. Für den Innenminister steht fest: „Straftaten jeglicher Coleur werden in Baden-Württemberg nicht geduldet.“
Für die AfD wies Fraktionschef Bernd Gögel die Angriffe zurück. Dies sei „Hetze“ gegen eine demokratische Partei; der AfD Mitschuld am Lübcke-Mord zu unterstellen, sei abscheulich. Die AfD lehne jegliche Form von Gewalt ab, alles was extrem sei, sei extrem gefährlich. „Die AfD ist die Rechtsstaatspartei und gegen Rechtsextremismus, Linksextremismus und Antisemitismus.“ Sie stehe für demokratische Werte – „weil wir Patrioten sind“.
Den Grünen warf Gögel vor, den Fall Lübcke politisch auszunutzen. Dass manche in der CDU befürchten, dass sich Soldaten und Polizisten der AfD nähern, wundert den AfD-Fraktionschef nicht: CDU-Mitglieder würden ihre konservativen Werte in der Partei nicht mehr finden. Eine Zusammenarbeit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und CDU-Chefin Annegret Kamp-Karrenbauer wolle die AfD nicht.