Landtag setzt Zeichen gegen strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen – CDU außen vor
Stuttgart. Der Landtag von Baden-Württemberg entschuldigt sich für die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen, die auch in Baden-Württemberg auf Grundlage des von den Nationalsozialisten im Jahr 1935 verschärften Paragraphen 175 Strafgesetzbuch bis zum Jahr 1969 erfolgte.
Dies beschloss das Parlament mit den Stimmen Grünen, SPD und FDP auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag der drei Fraktionen hin. Die Ehre der Opfer müsse wieder hergestellt werden. Zudem begrüßt der Landtag die historische Aufarbeitung der Verfolgung von Homosexuellen. Die CDU-Fraktion scheiterte mit einem eigenen Antrag, der zwar die Verfolgung der Homosexuellen und die jahrzehntelange Geltungsdauer des Paragraphen ausdrücklich bedauert, auf eine Entschuldigung aber verzichtet.
Keine „Entschuldigung“ der CDU
Karl Röhm (CDU) begründete, warum seine Fraktion einen eigenen Antrag vorlegte. Entscheidungen von Parlamenten erfolgten, so Röhm, stets aus einem herrschenden Zeitgeist heraus. Es sei durchaus möglich, dass in einigen Jahrzehnten durch einen dann herrschenden, anderen Zeitgeist Entscheidungen getroffen würden, die heutige Beschlüsse als falsch erscheinen ließen. Röhm wehrte sich dagegen, rückwirkend Entschuldigungen für solche Beschlüsse auszusprechen; ließ aber gleichzeitig keinen Zweifel an der Positionierung seiner Partei in der Verurteilung der Verfolgung Homosexueller. „Unsere Position wird nicht von unserer Einstellung zum Paragraphen 175 geprägt, sondern aus einem grundsätzlich anderem Verfassungs- und Parlamentsverständnis heraus“, sagte Röhm. „ Aus diesem Grund lehnen wir den Antrag ab.“
Bei den anderen Parteien stieß die CDU damit auf wenig Verständnis. Brgitte Lösch (Grüne) verwies darauf, dass allein in Baden-Württemberg auch nach 1945 noch über 5000 Männer wegen homosexueller Handlungen verurteilt worden waren – darunter auch Homosexuelle, die Nazi-Konzentrationslager überlebt hätten. „Bis 1969 hat der Paragraph gegolten, erst seit 1994 gibt es aber keine strafrechtliche Vorschrift zur Verfolgung von Homosexuellen mehr. Das ist alles andere als ein Ruhmesblatt“, sagte Lösch. Es sei ein wichtiger Schritt, dass sich der Landtag dazu bekenne und die historische Aufarbeitung der Verfolgung unterstütze. In diesem Zusammenhang sei auch der Erhalt der Gedenkstätte „Hotel Silber“ in Stuttgart wichtig für die Rehabilitation der Opfer. „Es geht nicht nur um die rechtliche, sondern auch um die moralische Seite“, so Lösch, „wir wollen uns entschuldigen bei den Menschen. Entschuldigung, Rehabilitation und historische Aufarbeitung – das sind die drei Punkte, mit denen wir als Parlament ein Zeichen setzen wollen.“ Ein deutliches Zeichen sehe anders aus als der Antrag der CDU.
SPD nennt Verfolgung „beschämend“
Auch Anneke Graner, SPD , äußerte Unverständnis. „Dass die Verfolgung in Baden-Württemberg nach 1945 auf Basis des von den Nazis verschärften Paragraphen geschah, ist beschämend“, sagte sie. „Grund genug, uns im Landtag damit zu befassen und unser Bedauern darüber kundzutun.“ Dies sollte keine Fraktionsfrage sein, sagte Granr. „Wir hätten uns gefreut, wenn von hier aus ein einmütiges, kraftvolles Signal an diese Männer ausgegangen wäre.“
Für die Liberalen ist wichtig, dass die Entschließung ausrücklich nicht als Verurteilung der Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden gewertet wird, die auf damals geltenden Rechtsgrundlagen gehandelt hätten. „Wir müssen uns fragen, wie wir mit rechsstaatlich ergangenen Urteilen aus unserer Geschichte umgehen“, so Haußmann. Denn auch mit der heute verurteilten Verfolgung habe sei damals gesetzmäßig gehandelt worden. „Die Verfolgung ist Bestandteil unserer Geschichte“, so Haußmann, „und mit der Entschließung setzen wir ein wichtiges Zeichen zum Umgang damit.“
Justizminister will „eindeutiges Bekenntnis“ für Opfer ablegen
Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) räumte ein, dass es heute ratlos mache, dass sich nach dem Ende der Nazizeit nichts an der Verfolgung Homosexueller geändert habe. „Gerade mal 21 Jahre ist es her, dass Homosexualität straflos wurde. Die Menschen mussten darunter leiden, dass der Gesetzgeber nicht die Kraft fand, das zu beenden. Das Mindeste, was wir heute tun können, ist ein eindeutiges Bekenntnis abzulegen und ein Zeichen zu setzen gegen alle, die die Rechte von Homosexuellen bestreiten oder beschneiden wollen.“ Stickelberger erinnerte daran, dass eine nahezu wortgleiche Entschließung bereit 2012 vom hessischen Landtag beschlossen wurde – einstimmig und auf Initiative der CDU/FDP-Regierungskoalition. „Die Entschließung richtet den Blick nicht nur zurück, sondern setzt auch ein Zeichen in die Gegenwart und Zukunft“, sagte der Justizminister. „Sie hat breite Unterstützung verdient.“
Quelle/Autor: Ulrike Bäuerlein