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Landtag in Baden-Württemberg beschließt Wahlrechtsreform
STUTTGART. Fast 40 Jahre nach den ersten Diskussionen zu Anfang der Achtziger Jahre, angestoßen vom damaligen Landesvorsitzenden der Jungen Union Günther Oettinger, hat der Landtag die Reform des Wahlrechts auf den Weg gebracht. Mit den Stimmen von Grünen, CDU, SPD und FDP „wird das Mindestalter für das aktive Wahlrecht für die Landtagswahl und in der Folge auch für die Teilnahme an Volksanträgen, Volksbegehren und Volksabstimmungen vom vollendeten 18. Lebensjahr auf das vollendete 16. Lebensjahr gesenkt“. Außerdem löst ein Zwei-Stimmen- das bisherige Ein-Stimmen-Wahlrecht ab.
Dieser Veränderung stimmte die FDP nicht zu, weil die Gefahr eines aufgeblähten Landtags drohe. Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke wagte eine Prognose: Die Wahl 2026 werden noch auf Basis der alten Regeln stattfinden, weil dieser Neuregelungen vor Gericht keinen Bestand haben werde.
Oliver Hildenbrand (Grüne) beschrieb sich selbst als sparsam im Umgang mit „pathetischen Zuschreibungen“, jetzt sei eine aber angemessen. „Heute ist ein historischer Tag“, so der Innenexperte und frühere Landesvorsitzende der Grünen. Einerseits weil das Wahlalter gesenkt werde und junge Menschen ab 16 künftig nicht mehr nur mitreden, sondern auch mitbestimmen könnten. Und andererseits, weil in künftigen Landtagen mehr junge Gesichter, mehr Frauen und mehr Menschen unterschiedlicher Herkunft vertreten sein würden. Der Tag sei auch historisch, weil nicht nur im Landtag lange für die Reform gekämpft worden sei, sondern auch viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter auf Veränderungen gewartet und für Veränderungen gekämpft hätten. Hildebrand hob auch die Zustimmung der Kommunalen Spitzenverbände hervor. Der Landkreistag habe die Reform folgerichtig und politisch angezeigt genannt, der Gemeinde- und der Städtetag die Vorhaben ausdrücklich unterstützt.
CDU: Positives Signal
Für Heiterkeit im Hohen Haus sorgte der innenpolitische Sprecher der CDU, Thomas Blenke, mit seinem Hinweis darauf, dass es in Baden-Württemberg in nur einem Jahr gelungen sei, eine Wahlrechtsreform auf den Weg zu bringen, während andere Länder viele Jahre bräuchten. „Ich weiß gar nicht, was falsch daran sein soll“, so Blenke zu den Lachern und Zwischenrufern. Es sei ein positives Signal an die Bürgerinnen und Bürger, wie sich die Regierungsfraktionen und die SPD auf das gemeinsame Vorgehen geeinigt hätten, und schade, dass die FDP beiseite stehe.
Sascha Binder (SPD) sprach ebenfalls von einem historischen Tag, da erstmals seit der Gründung des Landes 1952 das Wahlrecht grundlegend weiterentwickelt werde. Seine Fraktion sei auch sicher, dass die Reform vor Gericht halten werden. Eine mögliche Aufblähung befürchtet der Fraktionsvize nicht. Außerdem sei es fragwürdig, auf Grund prognostischer Ergebnisse Änderungen abzulehnen.
FDP warnt vor Aufblähung
Die FDP bleibt aber dabei, dass durch die beiden Stimmen und die Möglichkeit zum Splitten, ähnlich wie im Bundestag, die Gefahr einer Vergrößerung wächst. Über die entscheidende Passage ließen die Liberalen namentlich abstimmen, „damit“, so Rülke, „wenn dann 250 Abgeordnete im Parlament sitzen, jeder weiß, wer dafür war“. Auch Innenminister Thomas Strobl mochte eine Vergrößerung nicht ausschließen, zur Wahrheit gehöre aber auch, dass es schon jetzt Überhangmandate gibt. Grundsätzlich bedankte er sich bei den drei Fraktionen für die „Kraft zum Kompromiss“ und dafür, dass die Reform schon im ersten Fünftel der Legislaturperiode beschlossen werde und nicht „fünf vor zwölf“ vor einer Wahl.
Die AfD-Fraktion lehnt die Veränderungen als „Schande“ und „Heuchelei“ ab. Die Gründungsväter hätten von Deutschland die Vorstellung einer repräsentativen Demokratie gehabt. Dem komme Baden-Württemberg mit einem Kandidaten und einer Stimme für den Wähler am nächsten. Die „Kartellparteien“ wollten jetzt das Wahlrecht vom Wählerwillen entkoppeln.
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer