Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Sicherheitspolitik

Landtag debattiert über Rüstungsindustrie und Reform der Schuldenbremse 

Der aktuelle Wehrbericht macht deutlich, dass es mehr Geld für die Bundeswehr braucht. Im Landtag ging es am Mittwoch auf Antrag der CDU um die Verteidigungswirtschaft, worin nicht nur der Ministerpräsident eine Chance für das Land sieht.

Eine Waffenstation mit Drohnenabwehr ist auf dem Dach eines Fahrzeugs auf einer Fachmesse ausgestellt. Die Firma Diehl Defence hat ihren Hauptsitz in Überlingen.

dpa/Daniel Karmann)

Stuttgart. „Noch immer hat die Bundeswehr von allem zu wenig“. Ein Resümee, dass die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, nicht zum ersten Mal zog. Doch es gebe auch Fortschritte zu verzeichnen, sagte sie Anfang dieser Woche, als sie in Berlin ihren Bericht für das Jahr 2024 vorstellte. Dennoch brauche man nach wie vor mehr Geld für Material, aber auch für mehr Personal.

Dass Europa, Deutschland aber auch Baden-Württemberg vor großen Herausforderungen steht, wurde am Mittwoch auch in einer von der CDU beantragten aktuellen Debatte zur Verteidigungswirtschaft in BadenWürttemberg deutlich. Darin ging es neben den sicherheitspolitischen Herausforderungen auch um die Aufweichung der Schuldenbremse. Einig waren sich alle Fraktionen darin, dass die Bundeswehr so ausgestattet werden muss, dass sie Deutschland und die europäischen Partner im Ernstfall verteidigten kann.

Andreas Schwarz setzt darauf, dass Gespräche in Berlin erfolgreich sind

Für Winfried Mack (CDU) ist eine Kreditaufnahme für Verteidigungsausgaben unvermeidlich. Es sei richtig, die Schuldenbremse des Grundgesetzes für militärische Investitionen sofort zu lockern, „um Recht und Freiheit zu verteidigen“. Er forderte die Landesregierung auf, dem im Bundesrat zuzustimmen. „Als Parlamentsarmee muss die Bundeswehr mit den erforderlichen Haushaltsmitteln ausgestattet werden, um Deutschland zu verteidigen und potenzielle Angreifer abzuschrecken.“ Dazu gehöre auch ein wirksamer Bevölkerungsschutz mit Reservekrankenhäusern.

Europa und Deutschland müssten ihre Wehrfähigkeit schnell wiederherstellen. Dazu könnte das Land einen Beitrag leisten. Mack zufolge sollte das Land Forschung und Entwicklung fördern. Auch sollten die Landesbanken und Institute aufgefordert werden, Investitionen in Verteidigungstechnik zu investieren. Finanzanlagen müssten auch im Verteidigungsbereich möglich sein, da sei man mit Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) einig. An Hochschulen müssten die Zivilklauseln, die Rüstungsforschung untersagen, abgeschafft werden, appellierte er an das Wissenschaftsministerium.

Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Grünen, sagte, für seine Fraktion sei es selbstverständlich, dass in diesen Zeiten die Verteidigung gestärkt werden müsse. Man stehe in engem Kontakt mit der Bundeswehr. Er sicherte Unterstützung zu, wenn es etwa um Verwaltungsvereinfachungen gehe, um Erleichterungen bei Baumaßnahmen, um das Voranbringen von Infrastrukturprojekten und um eine bessere Zusammenarbeit zwischen Landes- und Bundesbehörden. Denn in allen Gesprächen werde eines deutlich: „Die Lage ist ernst.“

Andreas Schwarz: Neue sicherheitspolitische Realität

Man stehe vor einer neuen sicherheitspolitischen Realität. Und: „Es steht viel auf dem Spiel. Wenn wir weiter in Frieden und Sicherheit leben wollen, müssen wir unsere Verteidigungsfähigkeit stärken.“ Sicherheit koste nun einmal Geld, daher sei es folgerichtig, über eine Reform der Schuldenbremse zu sprechen. Doch greife ihm der Vorschlag von CDU und SPD in Berlin zu kurz, denn es brauche für die Landes- und Bündnisverteidigung zusätzliche Mittel und eine solide Finanzierung. Schwarz setzt darauf, dass die Gespräche in Berlin erfolgreich verlaufen.

Für die Verteidigungsfähigkeit brauche es Ausrüstung. In Baden-Württemberg haben Schwarz zufolge die Unternehmen das Know-how, Forschungseinrichtungen die Innovationskraft und Arbeitskräfte die Fähigkeit, die Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Das könne Impulse für den Wirtschaftsstandort bringen. Kurzfristig profitierten Fachkräfte der auftragsschwächelnden Branchen, wie der Automobilindustrie. „Mittel- bis langfristig kommen die Verteidigungsanstrengungen also unserem Hochtechnologiestandort zugute.“

Die SPD fordert von der Landesregierung eine Ansiedlungsstrategie für Unternehmen der Verteidigungsindustrie, eingebettet in eine bundes- und europaweite Koordinierung. Bisher sei die Landesregierung eher im Klein-Klein unterwegs, „wenn es um Investitionen in die industrielle Infrastruktur geht“, sagte Boris Weirauch. Es bleibe zu hoffen, dass Grüne und CDU im Land infolge der positiven Signale aus Berlin „endlich auch hier das Steuer herumreißen“.

FDP fordert, dass Beschaffungsprozesse beschleunigt werden

Nikolai Reith (FDP) forderte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister Kraut (CDU) zum Handeln auf. Wie die CDU zuvor, forderte auch er eine Abschaffung der Zivilklausel und zusätzlich auch die der Transparenzklausel im Landeshochschulgesetz. Da sollte die Landesregierung ihre bisherige ablehnende Haltung überdenken „und endlich die Handbremse lösen, zumindest, wenn Sie es mit der Stärkung unserer Verteidigungsforschung wirklich ernst meinen“.

„Fördern Sie Innovationen in diesem Bereich und stärken Sie so das wirtschaftliche Rückgrat unserer Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie“, sagte Reith. Zudem müssten die Beschaffungsprozesse dringend beschleunigt werden.

Bernd Gögel (AfD) echauffierte sich über den Begriff des Sondervermögens: „Es ist kein Vermögen, es sind Schulden, einfach Schulden.“ Baden-Württemberg sei durchaus in der Lage, der Bundeswehr zu helfen, sie mitauszurüsten. Er verwies aber darauf, dass man ohne die Atommacht USA niemals in der Lage sein werde, sich zu verteidigen.

Hoffmeister-Kraut: Es braucht kommende Woche eine Weichenstellung im Bundestag

Für die Landesregierung ergriff die Wirtschaftsministerin das Wort. „Die Welt hat sich verändert. Ein Land, das sich verteidigen und bündnisfähig sein will, braucht eine leistungsstarke Verteidigungsindustrie“, sagte Hoffmeister-Kraut. Der Vorschlag, die Verteidigungsausgaben ab einem bestimmten Level von der Schuldenbremse auszunehmen – und nur diesbezüglich solle die Schuldenbremse geändert werden –, ist aus ihrer Sicht vernünftig. Es brauche im Bundestag kommende Woche eine entsprechende Weichenstellung.

In der aktuellen Situation sei eine starke Verteidigungsindustrie überlebensnotwendig, so Hoffmeister-Kraut. Rüstungsgüter müssten produziert werden und entsprechende Technologien entwickelt werden. Das Land könne einen entscheidenden Beitrag leisten: Fahrzeugbau, Luft- und Raumfahrt, Informationstechnologie, aber auch im Bereich Waffen – die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie im Land breit aufgestellt.

Das zugehörige Produktportfolio ist der Ministerin zufolge genauso breit wie die Branche selbst: Lenkflugkörper und Radartechnik, Munition, Fahrzeuge, Flugzeugsysteme, Beobachtungssatelliten, Satellitenkommunikationssysteme, aber auch Softwarelösungen. Auch der Cyberraum will verteidigt sein. In all diesen Bereichen nehme man eine führende Stellung einnehmen. Rund 15 000 Beschäftigte sind der Ministerin zufolge im Land direkt in der Branche tätig; indirekt rund 42 000 Menschen.

Landesregierung sieht in der Rüstungsindustrie eine Chance

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht in der sicherheitspolitischen Zeitenwende auch eine Chance. Das Bundesland, ohnehin stark in Hochtechnologie und Maschinenbau, sollte aus seiner Sicht eine tragende Rolle in der Rüstungsindustrie der EU übernehmen. Er sieht einen neuen industriellen Schwerpunkt für das Land. Parteikollegin und Wissenschaftsministerin Petra Olschowski bekräftigte dies diese Woche: Man müsse die Chance nutzen, um den Forschungs- und Wissenschaftsstandort zu entwickeln und voranzubringen.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 199 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren