Landtag debattiert über Renaissance des Fahrrads
Stuttgart. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat in einer aktuellen Debatte zur Mobilität anlässlich der Erfindung des Fahrrads vor 200 Jahren angekündigt, dass das Land nicht nur Radschnellwege entlang von Landesstraßen, sondern mit Bundesmittel auch entlang der Bundesstraßen bauen will. Nach seinen Vorstellungen sollen am Ende der Legislaturperiode zehn Projekte realisiert sein. Er hoffe zudem auf genügend Mittel im nächsten Doppelhaushalt, um Lücken im Radwegenetz zu schließen und die Kommunen bei ihren Bau- und Ausbaumaßnahmen zu unterstützen.
Die Grünen hatten die Debatte beantragt. Der Abgeordnete Hermino Katzenstein, der von sich selber sagt, er sei auf dem Fahrrad geboren, stellte den wirtschaftlichen Nutzen in den Mittelpunkt seiner Rede. Baden-Württemberg profitiere von 14 Millionen Ausflüglern auf dem Rad und mehr als zwei Millionen Übernachtungsgäste. Letztere gäben 65 Euro pro Tag aus. „Das ergibt eine Milliarde Euro Einnahmen, die im Land bleiben und nicht in ökologisch zweifelhaft Flüge gehen“, so Katzenstein weiter. Allein der Radtourismus sichere 25.000 Arbeitsplätze, weitere 32.000 seien von Herstellern und Zulieferern geschaffen.
Auch der CDU-Abgeordnete Albrecht Schütte lobte das Engagement des Landes für das Rad: „Wir führen keine ideologischen Grabenkämpfe, sondern diese Koalition beweist, dass Straßen- und Radverkehr unter einen Hut zu bringen sind.“ Schütte erinnerte auch an den Erfinder des Fahrrads Karl von Drais, der nach mehreren schlechten Ernten, den zündenden Einfall gehabt habe und „wie ein Besessener daran arbeitete, das Pferd als Haupttransportmittel zu ersetzen“.
Kritik an Lücken im Radwegenetz und Kosten für Radschnellwege
Martin Rivoir, der verkehrspolitische Sprecher der SPD, sprach dagegen von „mehr Schein als Sein“. Er beklagte die Lücken im Radwegenetz und dass die Grünen, „die selbsternannte Schutzmacht der Fahrradfahrer“, das einschlägige Programm beendet hätten. Eine Darstellung, der der Verkehrsminister vehement widersprach.
Für die FDP kritisierte Jürgen Keck das finanzielle Engagement im Raschnellwegebau grundsätzlich: Radschnellwege seien gut, aber keine Landesaufgabe. Hermann habe „mit der Entscheidung, drei Radschnellverbindungen im Land nicht nur zu bauen, sondern auch die Kosten des laufenden Unterhalts zu übernehmen, einen Präzedenzfall der Verschwendung von Steuermitteln geschaffen“. Denn es handele sich „wahrlich um keine Landesaufgabe“. Andere Verkehrswege der Gemeinden würden auch nur mit 50 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten gefördert. Kern rechnete die Kosten pro Kilometer vor, die zwischen 500.000 Euro bis eine Million Euro lägen.
Hermann spricht von Pilotprojekten, die Pendler zum Umsteigen veranlassen sollen
Verkehrsminister Hermann verteidigte die ersten drei Pilotprojekte im Schnellwegebau, unter anderem im Großraum Stuttgart, als Leuchttürme. Ihn erfreue die „Renaissance des Fahrrads“. Dass Lücken im Netz entstanden seien, hätten frühere Landesregierungen zu verantworten. Und die Radschnellwege seien vor allem deshalb notwendig, um Pendler zum Umsteigen zu animieren. Auch Hermann erinnerte an den Erfinder Drais und die Erfindung, aus der über Jahrzehnte nichts geworden sei, „weil es keine Straßen gab, auf denen man rollen konnte, und weil die gepflasterten Wege gerade für Männer ziemlich unangenehm waren“. Den Durchbruch habe das Fahrrad erst mit dem Beginn der industriellen Produktion 1886 in Neckarsulm geschafft.
Der AfD-Abgeordnete Bernd Gögel (Wahlkreis Enz) monierte das Debattenthema und schlug den Bogen zu den Krawallen beim G-20-Gipfel in Hamburg und am Wochenende in Schorndorf. Darüber hätte der Landtag seiner Meinung debattieren sollen. Die AfD selber hat für den morgigen Donnerstag allerdings ohnehin eine aktuelle Debatte zu den Vorfällen in Schorndorf beantragt.
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer