Landtag debattiert in erster Lesung über Novelle des Hochschulgesetzes
Stuttgart. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sieht Baden-Württemberg in einer Vorreiterrolle bei der Neuordnung der Machtverhältnisse an den deutschen Hochschulen. Bei der Einbringung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts lobte die Grüne die neue Urwahl, durch die Rektoren bei einer schweren Vertrauenskrise künftig zum Rücktritt gedrängt werden können.
Notwendig geworden war die Änderung nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom Herbst 2016. Inzwischen, so die Ministerin am Donnerstag bei einer Landtagsdebatte, hätten auch andere Länder ähnliche Probleme. Die grün-schwarze Landesregierung betrete Neuland, weil es den Professoren allein möglich gemacht werde, sich ohne die Mitwirkung anderer Gruppen an den Hochschulen und ohne Mitwirkung des Ministeriums von einem Rektor oder einem Kanzler zu trennen.
„Wir machen unsere Hochschulen strategiefähig“, erläuterte Bauer. Im Rahmen der Novelle wird auch neu geregelt, dass Absolventen künftig bis zu drei Jahre die Infrastruktur der Hochschule für ihre Forschungen nutzen können. Außerdem werden Ausgründungen möglich und Doktoranden künftig ein eigener Status eingeräumt.
Kurtz: Gutes Beispiel für vertrauensvolle Zusammenarbeit der Landesregierung
Für die CDU nannte die Wissenschaftssprecherin Sabine Kurtz den Gesetzentwurf „ein gutes Beispiel“ für die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Landesregierung. Ihre Fraktion sei „besonders zufrieden“ damit, dass das grün-rote Modell der gebührenpflichtigen Pflichtmitgliedschaft in der Studierendenschaft verändert worden sei und dass die Einmischung der Studierenden künftig „auf ihre eigenen Angelegenheiten“ beschränkt werde. Nicht einmal Rektoren hätten „ein Mandat, sich kraft Amtes über Gott und Welt zu äußern“.
Stefan Räpple (AfD), verlangte unter anderem, „dringend“ die Gleichstellungsbeauftragten aus dem Gesetz zu streichen. Grundsätzlich gehe der Entwurf ohnehin an wichtigen Fragen vorbei, weil es nicht vordringlich sei, Hochschulen demokratischer zu machen, sondern, „ob besser oder schlechter geforscht wird“. Deshalb müsse die Qualität in Forschung und Lehre erhöht werden. Zum Thema Gleichstellung verlangte er, sehr gute männliche Professoren „nicht weiter zu behindern, ihre Leistung an der Hochschule einzubringen“, und kritisierte „Pseudoprofessorinnen“. Die SPD-Abgeordnete Gabi Rolland warf Räpple daraufhin vor, sich despektierlich über Professorinnen zu äußern.
Rolland kündigte an, dass ihre Fraktion der Abwahl der hauptamtlichen Rektoratsmitglieder durch Urwahl zustimmen werde. In Ordnung seien auch die Gründungsinitiativen und dass Räume wie Geräte der Hochschulen zur Verfügung gestellt werden. „Allerdings sollte das auch für die Arbeit zum Beispiel der Verfassten Studierendenschaft gelten und nicht neue Konkurrenzen hervorrufen“, verlangte die Sozialdemokratin, die sich gegen den Wegfall des politischen Mandats für die Verfasste Studierendenschaft positionierte: „Es kann doch nicht sein, liebe Grüne, dass Sie tatsächlich die Stimme der Studierenden einschränken wollen – dafür müssen wir Ihnen eine Absage erteilen.“ Das sei Wasser auf die Mühlen der CDU und werde viele Streitigkeiten darüber auslösen, „was streitig und was hochschulpolitisch ist“.
Weinmann: Nachbesserungen waren dringend erforderlich
Nico Weinmann (FDP) berief sich auf die Expertenanhörung vor zwei Wochen, die „überdeutlich" bestätigt habe, dass „die jüngsten Nachbesserungen im Gesetzesentwurf dringend erforderlich waren", insbesondere das von zehn auf 25 Prozent angepasste Eingangsquorum beim Urabwahlverfahren. Doch bereits bei der Senatszusammensetzung zeige sich, dass weiter Korrekturbedarf besteht: „Wir müssen die Sorgen der Experten ernst nehmen. Die Festschreibung eines verpflichtenden Anteils von 40 Prozent der Sitze und Stimmen für die akademischen Mitarbeiter, Studierenden, Doktoranden und sonstigen Mitarbeiter schränkt gerade die kleineren Hochschulen über Gebühr ein“, sagte Weinmann.
Zur neuen Experimentierklausel äußerte sich der Abgeordnete dagegen positiv. Es sei sinnvoll, den Hochschulen optional die Bauherreneigenschaft zu übertragen, Durch die höhere Flexibilität werde die Hochschulautonomie gestärkt und schwerfällige Bürokratie vermieden. Für den Grünen Alexander Salomon ist die Novelle „insgesamt ein Beleg dafür", dass Baden-Württemberg seinen Hochschulen ein hohes Maß an Vertrauen entgegenbringe. Es müsse einen Raum geben, in dem „ohne Furcht auch Unbequemes öffentlich gedacht und diskutiert wird“.