Land soll beim Bund mehr Geld für Schieneninfrastruktur einfordern
Stuttgart. In einem gemeinsamen Beschlussantrag haben die Fraktionen aller Landtagsparteien die Landesregierung und Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) aufgefordert, sich beim Bund für eine deutliche Erhöhung der Regionalisierungsmittel einzusetzen, die an das Land für Infrastrukturmaßnahmen beim Schienen-Personen-Nahverkehr (SPNV) fließen.
Während die vom Land an die Bahn zu zahlenden Stations- und Trassenpreise in den letzten Jahren stark gestiegen sind, ist bei den Regionalisierungsmitteln, die für Infrastrukturmaßnahmen vom Bund an die Länder fließen, eine jährliche Steigerung um nur 1,5 Prozent festgeschrieben. Aus Landesmitteln mussten daher im Jahr 2013 67 Millionen Euro, im Jahr 2014 84 Millionen Euro zugeschossen werden, um die Schieneninfrastruktur zu erhalten und keinen Zugverkehr abbestellen zu müssen.
Zunahme der Fahrgastzahlen
Eine Zunahme der Fahrgastzahlen im SPNV um 70 Prozent zwischen 2002 und 2012 sowie gleichzeitig in diesem Zeitraum stark gestiegene Stations- und Trassenpreise führte Andreas Schwarz von der Fraktion der Grünen als Beispiel dafür an, dass das Finanzierungssystem völlig aus dem Ruder gelaufen sei und dringender Handlungsbedarf bestehe. „Wir haben die Situation, dass die Bahn große Gewinne verzeichnet und das Schienennetz und die Bahnhöfe der große Gewinnbringer sind, das Geld aber nicht im System Schiene bleibt, sondern über die Bahn an den Bundesfinanzminister geht“, sagte Schwarz. „Als Länder müssen wir originäres Ende am Ende dieser Umverteilung haben.“
Eine Neuregelung und eine stärkere, angemessene Dynamisierung und Anpassung der Regionalisierungsmittel von mindestens 2,5 Prozent nannte Schwarz als dringende Forderung an die neue Bundesregierung, die das Thema Regionalisierungsmittel per Koalitionsvertrag auf der Agenda hat. „Der Bund muss seiner Verantwortung für die Schiene nachkommen, die Regionalisierungsmittel müssen im gleichen Maß steigen wie die Kosten für den Schienenverkehr“, forderte der Grünen-Abgeordnete.
Köberle: Wichtig, dass das Land mit einer Stimme spricht
Auch CDU-Verkehrsexperte Rudolf Köberle schloss sich dieser Aufforderung an die große Koalition im Bund an und begrüßte das gemeinsame Vorgehen der Landtagsfraktionen. „Es ist wichtig, dass das Land mit einer Stimme spricht bei diesem Thema“, so Köberle. Würden die Mittel im Zuge der 2014 anstehenden Revision nicht entsprechend erhöht, blieben dem Land nur zwei Möglichkeiten: Einzelne Verkehre abzubestellen oder die entstehende Finanzierungslücke mit Landesgeld zu füllen. „Beides können und wollen wir nicht“, sagte Köberle.
Für die SPD kritisierte Hans-Martin Haller, dass der Bund beim SPNV einen „Schraubstock mit zwei Backen“ bediene und die Bahn zwinge, jährlich aus dem Geld, das die Bahn für die Schiene kassiere, 500 Millionen Euro – 2014 sind 700 Millionen vorgesehen – an den Finanzminister abzuführen. „Die Regionalisierungsmittel waren jahrelang gut und wurden sinnvoll im Land genutzt, um einen tollen Nahverkehr auszubauen“, sagte Haller. „Und den brauchen wir auch, um dramatische Stausituationen auf der Straße aufzulösen.“ Jetzt, da die Kosten deutlich stärker stiegen als die Mittel, sei der Bund gefragt. „Wenn wir nachhaltige Mobilität wollen, muss es der Konsens aller sein, das durchzusetzen.“ Dem schloss sich Jochen Haußmann von der FDP an und forderte Verkehrsminister Hermann auf, bei den Verhandlungen mit dem Bund Gas zu geben.
Bei Ausschreibung sind Land noch die Hände gebunden
Der Minister selbst verwies darauf, dass ihm bei Ausschreibungen für einzelne Infrastrukturmaßnahmen und Strecken – die in Baden-Württemberg im Gegensatz zu anderen Bundesländern wegen eines langfristigen Verkehrsvertrags mit der Bahn erst ab 2016 wieder an Wettbewerber vergeben werden dürfen – im Moment noch die Hände gebunden seien. „Wir schreiben aus, obwohl wir noch gar nicht wissen, ob und wie viel Mittel wir bekommen“, sagte Hermann. „Eigentlich können wir noch gar nichts machen, aber wir machen trotzdem was.“
Dem Bund wies Hermann eindeutig die Verantwortung zu. „Er ist jahrelang seiner Verantwortung nicht nachgekommen.“ Schon jetzt habe die Bahn massive Kostensteigerungen bei den Trassenpreisen angekündigt. „Es ist höchste Zeit für die große Koalition, zu handeln, denn wir müssen jetzt wissen, wie es 2015 mit den Regionalisierungsmitteln weitergeht“, sagte Hermann.
Es könne nicht sein, dass der Bund weiter Geld aus dem Schienennetz ziehe, das die Bahn dringend bräuchte. „Das ist eine Kürzung der Regionalisierungsmittel durch die Hintertür, eine Schädigung der Infrastruktur und auch ein Grund dafür, warum Bahn ständig an der Schraube Trassen und Stationen dreht“, kritisierte Hermann. „Wir brauchen mehr Geld für den Ausbau der Schiene und nicht nur für den Erhalt des Status Quo.“