Kretschmann zieht Zwischenbilanz zum Thema Bürgerbeteiligung
Stuttgart. Drei Jahre nach dem grün-roten Wahlsieg sieht Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Ausbau der direkten Demokratie und der Bürgerbeteiligung im Südwesten auf gutem Weg. In seiner Regierungserklärung am Mittwoch im Landtag räumte er zwar Anfangsschwierigkeiten und Fehler ein. Der Kurs werde aber von einer breiten Mehrheit der Bürger akzeptiert, sagte der Grünen-Politiker mit Blick auf eine jüngste Studie zu dem Thema.
CDU und FDP warfen der Landesregierung hingegen vor, die selbstgesteckten Ziele nicht erreicht zu haben. Die Opposition nutzte die rund dreistündige, hitzige Debatte für eine Generalabrechnung. „Was haben Sie den Menschen nicht alles versprochen: blühende Landschaften, eine Bürgerregierung, endlich eine Politik des Gehörtwerdens“, attackierte CDU-Fraktionschef Peter Hauk Grün-Rot kurz vor dem Jahrestag der Landtagswahl an diesem Donnerstag. Die Wirklichkeit sehe anders aus. „Sie hören die Menschen in diesem Land nicht, sondern Sie bevormunden sie.“
Als Beispiel nannte er den Nationalpark Schwarzwald. Vor drei Jahren habe die Regierung erklärt, dieser komme nur, wenn die Menschen in der Region ihn wünschten. Doch dann habe sie wesentliche Argumente und Risiken ausgeblendet. Auf Beschluss des Landtags ging der Park Anfang 2014 an den Start.
Kretschmann räumt Fehler ein
Kretschmann räumte ein, dass die Regierung auch Fehler gemacht habe. „Die Spielregeln von Anfang an noch klarer zu machen und zu sagen, was geht und was nicht, das ist die wichtigste Lektion aus den Bürgerbeteiligungsverfahren der vergangenen drei Jahre.“ Die zweite Lektion sei die, dass nicht nur die Regierung, sondern auch die Bürgerschaft eine Bringschuld habe – nämlich, zivilisiert zu argumentieren. Zuweilen niste sich aber Fanatismus ein. Der Prozess der Bürgereinbeziehung sei anstrengend und koste Nerven. Doch er lohne sich: „Insgesamt führt er aber unserer Demokratie neue Energie aus der Graswurzel zu und macht sie frischer und lebendiger.“
Kretschmann führte unter anderem die Volksabstimmung bei Stuttgart 21, die Einbeziehung der Bürger bei der Schaffung des Nationalparks Schwarzwald und die geplante Senkung von Hürden für Volks- und Bürgerentscheide an. Beim letzteren Thema soll es bald einen Referentenentwurf geben, nachdem die vier Landtagsfraktionen sich auf einen Kompromiss geeinigt hatten. Auch verwies Ketschmann auf den jüngst in Kraft getretenen Planungsleitfaden von Staatsrätin Gisela Erler. Als Lehre aus den Protesten gegen S 21 sieht dieser vor, dass Bürger bei großen Bauvorhaben früher und besser eingebunden werden.
Opposition sieht keine Erfolgsbilanz
Beim Thema Bürgerbeteiligung stehen die Grünen unter dem Druck ihrer eigenen Klientel. Der Verein Mehr Demokratie würdigte am Mittwoch zwar das Engagement von Grün-Rot – kritisierte aber, dass es mit der Reform von Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene und Volksbegehren auf Landesebene so lange dauere und noch kein Referentenentwurf vorliege: „Wenn ich Reformen wirklich will, dann geht das ganz fix, wie etwa das Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene zur Rentenreform zeigt.“
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sah wie sein CDU-Kollege Hauk keine Erfolgsbilanz von Grün-Rot. Kretschmann halte „großspurig“ eine Regierungserklärung ab, obwohl er nichts vorzuweisen habe. Letztlich habe die Regierung nur einen „staubtrockenen“ Planungsleitfaden vorgelegt. Und die „Politik des Gehörtwerdens“ gelte – etwa mit Blick auf den Nationalpark Schwarzwald – lediglich dann für Grün-Rot, wenn die Bevölkerung das sage, was die Regierung hören wolle.
Regierung hält an sexueller Vielfalt im Bildungsplan fest
Die Opposition führte als angebliche Belege eine ganze Palette von Themen an: das Landesjagdgesetz, die Schulpolitik – und vor allem die bereits vielkritisierte Bildungsplanreform mit der geplanten Verankerung des Themas sexuelle Vielfalt im Unterricht. Hauk sprach hier von einem „Musterbeispiel“ für schlechte Bürgerbeteiligung. Kretschmann entgegnete, die Bildungsplandebatte sei stark religiös gefärbt. „Letztlich können wir uns in einer Demokratie nicht über Glaubensfragen einigen.“ Die Regierung halte an dem Ziel fest, das Thema sexuelle Vielfalt im Bildungsplan zu verankern.
Quelle/Autor: sta