Kretschmann bringt Gesetz zum Vertrag mit Sinti und Roma ein
Stuttgart. Baden-Württemberg bekennt sich zu Sinti und Roma im Südwesten. Zwei Wochen nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages im Stuttgarter Neuen Schloss brachte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Mittwoch das Gesetz zum Vertrag des Landes Baden-Württemberg mit dem Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg, in den Landtag ein. Die darin vereinbarte Zusammenarbeit auf Augenhöhe sei „das eigentlich Neue“, mit dem das Land ein „deutliches Zeichen“ in Deutschland setzt, aber auch in die Europäische Union hinein sendet, sagte der Regierungschef.
Sinti und Roma seien Teil unserer Gesellschaft und Baden-Württemberg sei seit über 600 Jahren die Heimat dieser Minderheit, die durch den Staatsvertrag gestärkt werde. Mit der festen Fördersumme von 500000 Euro pro Jahr schaffe das Land Planungssicherheit für eine gute Zusammenarbeit und ein verlässliches finanzielles Fundament. 50000 Euro davon werden für die Integration bleibeberechtigter nichtdeutscher Sinti und Roma aufgewendet. „Mit dem Staatsvertrag stellen wir uns gegen den Antiziganismus und helfen den deutschen Sinti und Roma, ihre Identität, Kultur und Sprache zu pflegen“, betonte Kretschmann. Sinti und Roma würden endlich die Aufmerksamkeit erhalt, die ihnen auch vor dem Hintergrund der gemeinsamen Geschichte als nationale Minderheit zusteht.
Zustimmung von allen Fraktionen
Abgeordnete aller Fraktionen begrüßten den Staatsvertrag und das Gesetz, das vor der zweiten Lesung im Ständigen Ausschuss beraten wird. Bernhard Lasotta (CDU) bezeichnete die Vertragsunterzeichnung als „historisches Ereignis“. Der CDU-Fraktion sei es wichtig, den Schutz von Minderheiten als Teil unserer Rechts- und Werteordnung zu dokumentieren und öffentlich zu bekennen. Sinti und Roma seien als nationale ethische Minderheit anerkannt, die in der Geschichte Ausgrenzungen, Ablehnungen, Diskriminierung, Hass, Unrecht und Verfolgung erfahren habe. Lasotta begrüßte es, dass am Gemeinsamen Rat auch das Parlament und die kommunalen Spitzenverbände beteiligt sind.
Der Vertrag sei ein wichtiger Meilenstein und könne zu einer Win-Win-Situation für das Land und alle Baden-Württemberger inklusive der Sinti und Roma werden, sagte die Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann. Nun seien Recht auf Schutz, Bewahrung, Förderung der Sprache, Kultur und Tradition der Sinti und Roma verbrieft wie auch die Pflege der Erinnerung und des Gedenkens. Wie Kretschmann erinnerte auch Sitzmann an die „brutale Verfolgung“ der Sinti und Roma in der Zeit des Nationalsozialismus. Inzwischen seien sie „endlich“ als nationale Minderheit anerkannt.
Klare Positionierung gegen Rassismus und Diskriminierung
Nach Einschätzung von Florian Wahl (SPD) bedenkt der Staatsvertrag nicht allein eine Verpflichtung, er drücke vor allem auch den Willen aus, „unser gesellschaftliches Zusammenleben zukünftig aktiver, freundschaftlicher und verbindlicher zu gestalten“. Leider werde auch heute noch gegen Sinti und Roma gehetzt, ihre Rechte beschnitten und es schlage ihnen Gewalt entgegen. Er nannte erschreckende Meldungen aus Ungarn und Frankreich. Beschämend sei auch die Tatsache, dass Antiziganismus in unserer Gesellschaft auch Jahrzehnte nach dem Ende des NS-Unrechtsregimes nach wie vor in Teilen der Gesellschaft Bestand habe. Deshalb sei der Vertrag ein klare, eindeutige Positionierung gegen jeglichen Rassismus und jede Diskriminierung.
Ulrich Goll (FDP) bezeichnete den Vertrag als starkes und gutes Signal, auch an die Sinti und Roma, die in den vergangenen Jahrhunderten auch und gerade auf deutschem Boden „selten etwas Gutes erlebt haben, sondern viel Schlechtes bin hin zu Fürchterlichem“. Den Rat für die Angelegenheiten der deutschen Sinti und Roma in Baden-Württemberg bezeichnete der frühere Justizminister als „eine gute Idee“. Der Vertrag sei eine gute Sache, „die man nur mit Überzeugung unterstützen kann“.