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Kretschmann appelliert, offen für den Schmerz des anderen zu sein
Stuttgart. Hohe Vertreter jüdischen Lebens aus Baden und Württemberg sind am Donnerstag in den Landtag gekommen: Rami Suliman, Michael Kashi, Polizeirabbiner Shneur Trebnik, dazu der Beauftragten der Landesregierung gegen Antisemitismus, Michael Blume. Sie hörten viele solidarische Bekenntnisse. „Mit aller Macht“, so FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, „werden wir jüdisches Leben schützen, was wir aber nicht schützen sind Menschen, die in unser Land kommen, um das Gastrecht zu missbrauchen, und antisemitische Parolen brüllen.“ Wer das Gastrecht missbrauche, müsse das Land wieder verlassen.
Grüne, CDU, SPD und FDP hatten einen umfangreichen Entschließungsantrag vorgelegt, der sich ausdrücklich mit den Möglichkeiten eines föderalen Deutschlands befasste. Gefordert wird unter anderem, „an unseren Schulen, unseren Universitäten und auf unseren Straßen entschieden gegen Antisemitismus vorzugehen“, die Verbindungen zwischen Baden-Württemberg und Israel beispielsweise in Form von Schüler- und Jugendbegegnungen zu intensivieren oder Blumes Tätigkeit „weiterhin kraftvoll zu unterstützen“.
Rülke kritisiert Netanjahu, was ihm nicht überall Applaus einbringt
Der Ministerpräsident appellierte, „offen zu sein, für den Schmerz des anderen“. Und er erinnerte eindringlich an den Anlass der Debatte: Die Bilder dieses 7. Oktober seien unvergesslich, „fast 1200 Männer, Frauen und Kinder, gequält, vergewaltigt, verschleppt, ermordet, wahllos, sinnlos, bestialisch und grausam, das lässt uns bis heute das Blut in den Adern gefrieren“. Nicht vergessen werden dürfe, „dass wenn Hamas und Hisbollah heute die Angriffe einstellen und die Geiseln freilassen würden“, morgen schon Frieden möglich wäre.
Die Hamas habe „die gesamte Bevölkerung des Gaza-Streifens als Geiseln genommen“, sagte SPD-Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch. Das sei ein „perfider, menschenverachtender Plan“ um einen Krieg zu entfesseln, und „leider ist er aufgegangen“.
Für die CDU-Fraktion erinnerte Christian Gehring in Vertretung von Landes- und Fraktionschef Manuel Hagel an eine Israel-Reise: „Vor einem halben Jahr standen wir mit einer Delegation unserer Fraktion, gemeinsam mit Manuel Hagel und weiteren Begleitern, in einem der überfallenen Kibbuzim, vor einem Haus, in dem alle Bewohner massakriert wurden, wir sahen ein Dreirad, einen Kinderroller, ein Fahrrad, und das Gleiche hat auch der Mörder der Hamas gesehen, der in das Haus eindrang, im Wissen, dass er gleich Kinder, Eltern, eine ganze unschuldige Familie ermorden wird“. Israel habe das Recht, sich zu verteidigen.
In einem in namentlicher Abstimmung mit 133 von 137 Stimmen angenommenen Entschließungsantrag erklärte der Landtag insgesamt seine volle Solidarität und stellt das völkerrechtlich verbriefte Recht Israels fest, „sich gegen die terroristischen Angriffe der Hamas, der Hisbollah, der Huthis, des Irans und sonstiger Terror-Gruppen zu verteidigen“.
Rülke will nicht alles „gutheißen“, was Netanjahu macht
Unterschiede in der Lagebeurteilung zeigten sich, als der FDP-Fraktionschef nicht alles „gutheißen“ mochte, was die Regierung Netanjahu tue. Sie nehme nicht genügend Rücksicht auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen und im Libanon. Sie tue nicht genug, um die Geiseln zurückzubekommen, „und die Regierung Netanjahu tut nicht genug für den Frieden“. Denn es gebe auch „ein Existenzrecht der Menschen im Gazastreifen und im Westjordanland“. Über die eigenen Liberalen hinaus bekam Rülke dafür nur Applaus aus den Reihen der Grünen.
Deren Fraktionsvorsitzender Andreas Schwarz unterstrich das Selbstverteidigungsrecht Israels, nannte es aber auch „völlig klar, dass die Region nur zur Ruhe kommen kann, wenn es eine verhandelte Friedenslösung gibt, die Israelis und Palästinensern langfristig Sicherheit gibt, eine Lösung, die den Terror gegen Israel und das unermessliche Leid der Zivilbevölkerung in Gaza, der Menschen im Westjordanland und im Libanon beendet“.
Als einmal mehr von den anderen Fraktionen ausgeschlossen bezeichnete sich die AfD, votierte in Teilen aber dennoch für den Antrag. Die „selbst ernannten demokratischen Fraktionen“ hätten offenbar kein Interesse, erklärte Fraktionschef Anton Baron, „den Kampf gegen den Antisemitismus auf wirklich breiter parlamentarischer Basis aufzubauen“.
Mehr Geld für Schutzmaßnahmen, Bildung und Kulturerbe
Kretschmann schlug den Bogen zum rechtsradikalen und völkischen Antisemitismus, den es neben dem neben dem islamistischen auch gebe. All dies habe die Landesregierung im Blick, konkret mit Erweiterung des Staatsvertrags mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften.
Diese Erweiterung beinhalte, so der Regierungschef weiter, mehr Schutzmaßnahmen, auch auf eigene Initiative der Gemeinden sowie eine bessere Unterstützung des jüdischen Bildungswerks und des deutsch-jüdischen Kulturerbes. Jede Form von Antisemitismus sei „ein Angriff auf unsere Demokratie, auf die unantastbare Menschenwürde und damit auf uns alle“, sagte Kretschmann.
Landtagspräsidentin Aras: Antisemitismus gefährdet die Demokratie | Staatsanzeiger BW