Höhere Grunderwerbsteuer: „Eine hübsche Mogelpackung“
Stuttgart. Die Bürger werden künftig beim Kauf eines Grundstücks oder einer Immobilie in Baden-Württemberg stärker zur Kasse gebeten. Durch die am Mittwoch vom Landtag beschlossene Erhöhung der Grunderwerbsteuer um 1,5 Prozentpunkte werden künftig 5 Prozent dieser dem Land zustehenden Steuer fällig. Bei einem 100 000 Euro teuren Grundstück sind dies immerhin 1500 Euro.
Die Landesregierung, die ihren Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit 71 Stimmen aus den Reihen von Grünen und SPD-Abgeordneten durchsetzte, will die Mehreinnahmen von erwarteten 355 Millionen Euro im kommenden Jahr bis zu 375 Millionen Euro im Jahr 2015 jedoch nicht im Staatshaushalt versickern lassen. „Das Geld wird gleich an die Kommunen weitergegeben“, kündigte Klaus Maier (SPD) in der hitzigen Debatte an. Rot-Grün werde einen Pakt mit den Städten und Gemeinden schließen und die Mittel über den kommunalen Finanzausgleich abgeben.
Damit könnten die Kommunen im Südwesten die gestiegenen Ausgaben für die frühkindliche Bildung finanzieren, erklärte auch Muhterem Aras von den Grünen. Durch die Betreuung der unter Dreijährigen und die Ganztagesbetreuung könne die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum enormen Nutzen der Familien verbessert werden. „Ein Meilenstein“, befand die Grünen-Politikerin. Zudem werde durch die Steuererhöhung „niemand am Kauf von Wohneigentum gehindert“.
Vom traurigen Tag für das Land der Häuslebauer sprach hingegen Tobias Wald (CDU), der die Landesregierung auch wegen ihrer Vorgehensweise kritisierte: „Noch nie hat eine Landesregierungne ohne Stichtag und ohne Anhörung von Verbänden ein Gesetz durchgesetzt.“ Tatsächlich ist noch offen, wann die Erhöhung der Grunderwerbsteuer in Kraft tritt; als mögliches Datum wird der 4. November 2011 genannt.
Wald bezeichnete den Gesetzentwurf als „überhastet und nicht ausgereift“, der Erwerb von Wohneigentum werde schwerer als bisher. „Sie zerstören Lebensträume“, warf er der Regierung vor. Die CDU lehne deshalb den „ungerechtfertigen Irrweg der Steuererhöhung“ ab.
Auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke fand scharfe Worte. Für junge Familien ergebe die Rechnung von Grün-Rot allenfalls ein Nullsummenspiel. „Sie nehmen mehr als Sie geben“, kritisierte er. Mit der „netten Mogelpackung“ schade man nicht nur der Bauwirtschaft, sondern auch dem Mittelstand allgemein. „Für Familien und Fachkräfte ist dies ein Abschreckungsprogramm“, wetterte Rülke.
Er monierte, die Landesregierung sei unglaubwürdig, weil Grün-Rot nicht erklären könne, auf welchem Weg das Geld den Kommunen für die Kinderbetreuung zufließen soll. Deshalb sei das Argument der Kinderbetreuung aus seiner Sicht bloß ein Trick und eine hübsche Verpackkung, um die wahre Absicht zu verschleiern, das Geld im schwarzen Loch des Finanzministeriums versacken zu lassen.
Diesen Vorwurf wies Finanz-Staatssekretär Ingo Rust (SPD) entschieden zurück. „Wir helfen den Kommunen beim Ausbau der Kinderbetreuung“, erklärte Rust. Man müsse Städte und Gemeinde finanziell unterstützen, wenn deren Aufgaben erweitert würden. Deshalb sei das Land mit den kommunalen Spitzenverbänden im Gespräch, um zu vereinbaren, wie das Geld wo ankomme.
Der Stsatssekretär kündigte an, in Kürze ein Wohnungsbau-Förderungsprogramm vorzustellen. „Wir wollen und werden jungen Familien viel zurückgeben und sie nicht belasten“, sagte Rust. Letztlich habe die Erhöhung der Grunderwerbsteuer, die auch von zwölf anderen Bundesländern — darunter auch CDU-regierte Länder — vorgenommen wird, drei Ziele: Bessere frühkindliche Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten, die deutliche Verbesserund der Finanzmittel der Kommunen und kein Mehrbelastung des Landeshaushalts. „Dazu werden wir ein Gesamtpaket vorlegen“, kündigte Rust an.