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„Haushalt der verpassten Chancen“: SPD im Landtag übt Kritik am Etat für 2022
STUTTGART. Zum Abschluss der dreitägigen Beratungen aller Einzelhaushalte der Ministerien stehen sich Regierungsfraktionen und Opposition in der Bewertung des Etats für das Jahr 2022 diametral gegenüber. Während Markus Rösler (Grüne) und Tobias Wald (CDU) gerade angesichts der Nullverschuldung eine solide Arbeit und die eigenen Ziele erreicht sehen, sprach Nikolas Fink (SPD) von einem „Haushalt der verpassten Chancen“.
Für die FDP erklärte Stephan Brauer mit Blick auf das grün-schwarze Verständnis von Schuldentilgung: Die Koalition handele wie jemand, der etwas früher Gekauftes in den Laden zurückbringt, das einmal gezahlte Geld wiederbekommt und nun stolz verkündet, man habe jetzt mehr Geld als vorher. Da brauche „man nicht einmal die schwäbische Hausfrau, um zu verstehen, dass das Unsinn ist“.
484 Millionen Euro Notkredite
Die aus Sicht der Regierungsfraktionen positiven Rahmendaten skizzierte der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Markus Rösler. Danach werden weitere 484 Millionen Euro Notkredite getilgt, so dass die Sondertilgung im kommenden Jahr auf 958 Millionen Euro steigt. Weitere 752 Millionen Euro werden der Rücklage für Haushaltsrisiken zugeführt – heutiger Stand 1,58 Milliarden Euro – und weitere 236 Millionen „in unsere Zukunft mit wichtigen Maßnahmen insbesondere in den Bereichen Wissenschaft und Forschung, Klimaschutz und Naturschutz, Bildung und gesellschaftlicher Zusammenhalt investiert“. Schon Saint-Exupéry habe gewusst, „dass man die Zukunft nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen soll, und das tut die grün-schwarze Koalition mit diesem Haushalt“. Es gebe also gute Gründe, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen.
Bayern als abschreckendes Beispiel
Auch Tobias Wald hob hervor, wie Baden-Württemberg als einziges aller Länder 2022 keine neuen Schulden aufnehmen und die Rücklage mit eben jenen 752 Millionen Euro stärken werde. Die sei von großer Bedeutung, „denn die Pandemie tobt weiter“. Zudem brauche es die Nothilfen und Rettungsschirme. Einen Vergleich zu Bayern zog Rösler, weil Baden-Württemberg 646 Millionen Euro im Jahr in den Pensionsfond einzahle. Das sei solide, „das ist die schwäbische Hausfrau Danyal Bayaz, die als Garant für solide Haushaltspolitik steht und diese Tradition weiterführt“. Bayern sei dagegen ein abschreckendes Beispiel mit nur 110 Millionen Euro im Jahr: „Das ist unseriös und unverantwortlich gegenüber künftigen Generationen.“
Die FDP wiederum musste sich konfrontieren lassen damit, dass der neue Bundesfinanzminister Christian Lindner 60 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen in ein Klimaschutz-Sondervermögen verlagert hat. Er rate der FDP-Landtagsfraktion, so der frühere CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart, die angedrohte Klage im Land nicht weiterzuverfolgen. Es sei schon interessant, dass der Bundesfinanzminister jetzt 60 Milliarden sozusagen in den Schattenhaushalt transferiert oder transferieren muss“. Er schätze ihn sehr, könne der FDP im Land aber nur einen Tipp geben: „Lassen Sie die Einreichung der Klage sein“, es sei nach diesem neuen Vorgehen in Berlin nur widersprüchliches Verhalten.
Kritik an wachsender Anzahl von Mitarbeitern
„Die Tatsache, dass Herr Lindner gerade 60 Milliarden Euro Kreditermächtigungen in ein Sondervermögen verlagert, weil er es dieses Jahr noch kann“, so Rösler, spreche für sich. Die FDP-Fraktion präsentierte ihre schon einmal gemachten Vorschläge erneut – allerdings erfolglos, weil alle entsprechenden Änderungsanträge mit der grün-schwarzen Mehrheit abgelehnt wurden. „Seine Fraktion habe sich für 500 Millionen echte Schuldentilgung stark gemacht, „dazu eine Entlastung der Bürger bei der Grunderwerbsteuer, damit die Nebenkosten des Wohneigentumskaufs, die ja aus dem Eigenkapital finanziert werden müssen, endlich sinken können“, sagt Bauer. Doch die Landesregierung schaffe lieber wieder neue Stellen im vierstelligen Bereich.
Auch Rainer Podeswa (AfD) bemängelte und vielen anderen, wie während des Zeitraums von 2012 bis 2021 der Beamten- und Angestelltenapparat in der Landesverwaltung überproportional angewachsen sei, „und zwar nicht hauptsächlich getrieben durch Polizisten, Lehrer, Richter, Justizvollzugsbeamte oder Sozialpädagogen, sondern durch eine Steigerung von über 2 000 zusätzlichen Ministerialbeamten über die Dekade Kretschmann. Längst seien damit Verwaltungsstrukturen in einer Größenordnung entstanden, „die mit den Anforderungen an eine effektiv handelnde Exekutive nicht mehr in Einklang zu bringen sind“. Die Staatssekretärin im Finanzministerium Gisela Splett (Grüne) konterte: „Wir sind froh darüber, dass wir so viele engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, bei denen ich mich an dieser Stelle auch noch einmal herzlich bedanken möchte.“
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer