Grüne wollen mehr Mitsprache für Jugendliche erreichen
STUTTGART. In der Landtagsdebatte „Beteiligung von Jugendlichen in Baden-Württemberg – Jugendlandtag“ hat Erwin Köhler, Jugendpolitischer Sprecher der Grünen, dass Jugendliche nicht nur bei Kommunalwahlen, sondern auch bei Landtagswahlen ab 16 Jahren ihre Stimme abgeben können.
Auch für das passive Wahlrecht sprach sich der Grünen-Abgeordnete aus: Ab 16 sollen sie für den Gemeinderat und Kreistag kandidieren können.
Die Absenkung des Wahlalters stehe im Koalitionsvertrag. Zu diesem stehe man auch, meinte CDU-Mann Andreas Sturm. Indes habe seine Fraktion vor der Sommerpause den SPD-Gesetzentwurf abgelehnt, weil man ein „großes Paket“ der Wahlrechtsreform schnüren wolle. Jungen Menschen zu erreichen sei essentiell, doch derzeit erreiche man 72 Prozent der 14- bis 24-Jährigen mit den Themen nicht. „Politikverdrossenheit ist ein schleichendes Gift für die Demokratie.“ Deswegen müsse man alle Jugendlichen unterstützen, die sich politische engagierten, etwa einen Jugendgemeinderat initiierten.
Das nahm Andreas Kenner (SPD) auf. Er monierte, dass es gerade die CDU war, die den Gesetzentwurf zur Absenkung das Wahlalters abgelehnt hatte. Viele Jugendliche seien engagiert in Verbänden und Hilfsorganisationen. Sie wüssten teils besser als manche Landtagsabgeordnete, wie guter Parlamentarismus funktioniere. Von den 1100 Kommunen im Land hätten nur zehn Prozent einen Jugendgemeinderat. „Das muss sich ändern. Wir treffen Entscheidungen, die manche von uns nicht mehr erleben, aber binden diejenigen, die sie betreffen, die jungen Menschen, nicht ein.“
Auch Dennis Birnstock (FDP) befürwortete das Wahlrecht mit 16 Jahren und betonte, dass die Altersstruktur der Gesellschaft, nicht im Landtag repräsentiert sei. „Jeder Dritte in Baden-Württemberg ist 30 Jahre oder jünger, im Landtag sind es 5,1 Prozent.“ In der Pandemie seien Kinder und Jugendliche vergessen worden, zu sehr in Schubladen gesteckt worden als Pandemietreiber oder Randalierer. Die Folgen im Sozialen und in der Bildung müssten in der Enquetekommission zu den Folgen der Corona-Krise „Krisenfeste Gesellschaft“ dringend aufgearbeitet werden. „Wir müssen Brücken bauen zwischen der Jugend und Politik, etwa mit funktionierenden Jugendgemeinderäten und -verbänden.“ Wie bereichernd die Perspektive der jungen Menschen in der Politik sei, habe er beim Jugendlandtag erlebt. Dieser fand hybrid am 11. und 21. Oktober statt.
Von dort „nahm“ Daniel Lindenschmid (AfD) „die Idee mit“, das Führerscheinalter auf 16 zu senken. Zum Wahlrecht mit 16 argumentierte er, dass es dann auch Pflichten für Jugendliche geben müsse, etwa für 20-Jährige nicht mehr das Jugendstrafrecht anwenden, sondern das Erwachsenenstrafrecht.
Das verfolgten nicht nur Jugendliche per Live-Stream, sondern auch im Foyer. Sie hatten am Jugendparlament teilgenommen, überreichten nach der Debatte den Abgeordneten ihre Forderungen. Diese müsse man als Auftrag anzuerkennen, so Grünen-Jugendexperte Köhler. Der Weg zu einer fairen, echten Beteiligung junger Menschen in allen Prozessen der Demokratie sei noch weit. Oft würden Unter-20-Jährige gar nicht einbezogen.
Die Diskussionen im Jugendparlament hätten gezeigt, keine Phrasen gedroschen würden, sondern es den Jugendlichen „um Inhalte, um Sorgen und eine echte Auseinandersetzung mit Generationengerechtigkeit“ gehe, sagte Köhler. Junge Menschen brächten frischen Wind, neue Perspektiven, Potentiale mit und hinterfragten bestehende Strukturen. Alle Generationen könnten voneinander lernen, unabhängig von Alter und Hintergrund. Daher brauche es niedrige Schwellen und ein Angebot für alle. Er wolle sich, so Köhler, bei der anstehenden Enquetekommission „krisenfeste Gesellschaft“ für die Stärkung der Teilhabe von Jugendlichen einsetzen.
Quelle/Autor: Petra Mosbacher-Dix