Grün-Rot lehnt offene Ganztagsschule ab
Stuttgart. Die Regierungsfraktionen von Grünen und SPD haben am Mittwoch die Aufnahme der offenen Ganztagsschule ins Schulgesetz abgelehnt. Auch die Förderung von Hortangeboten und Angeboten für flexible Nachmittagsbetreuung sowie der verlässlichen Grundschule lehnte das Plenum gegen die Stimmen von CDU und FDP ab. Die FDP-Fraktion, die die Aktuelle Debatte „Wie steht es mit der Wahlfreiheit bei der Ganztagesbetreuung an der Grundschule?“ beantragt hatte, wollte mit ihrem Antrag „flexible Ganztagsschulformen und Ganztagsbetreuungskonzepte“ ermöglichen.
Grün-Rot verwechsle Gerechtigkeit mit Gleichheit, kritisierte Timm Kern (FDP) in der Debatte. Das Ganztagskonzept der Landesregierung sei ein „Misstrauen gegen die Eltern“, die dringend auf Flexibilität und nicht auf Sturheit angewiesen seien. „Sie halten die Eltern für dumm“, warf der liberale Bildungsexperte Grün-Rot vor. Auch Georg Wacker (CDU) stimmte in die Kritik ein. Grün-Rot nehme den Elternwillen nicht ernst. Die Eltern hätten nur die Wahl zwischen Ganztagsunterricht an drei oder vier Tagen oder an gar keiner Ganztagsbetreuung. Dies bezeichnete Wacker als „Dirigismus“ und Bevormundungspolitik in der Bildung. Außerdem würde die Landesregierung mit ihrem Betreuungs-Modell die Vereine zu reinen Dienstleistern degradieren. „Grün-Rot lasse die Wahlfreiheit der Eltern nicht zu“, konstatierte Wacker.
Minister spricht von „wichtigem Baustein für unsere Zukunft“
Kultusminister Andreas Stoch (SPD) konterte, Baden-Württemberg sei in der frühkindlichen Bildung unter Grün-Rot vom letzten Platz an die Spitze in Deutschland aufgestiegen. In der CDU/FDP-Regierungszeit habe es keine regionale Schulentwicklung gegeben; außerdem hätten sich seinerzeit viele Schulen in Privatschulen umgewandelt. Stoch wies die Vorschläge der Opposition zurück: Dies sei „pädagogischer und schulorganisatorischer Nonsens“, sagte der Minister. Er wies darauf hin, dass Ganztagsschulen einen anderen pädagogischen Ansatz haben als die Ganztagsbetreuung. Ganztagsschule bedeute, dass Kinder in einem pädagogischen Konzept den Schulalltag erleben. Deshalb seien die Ganztagsschulen im Südwesten „ein wichtiger Baustein“ für bessere Bildung und damit „für unsere Zukunft.“
Auch die Abgeordneten der Regierungsfraktionen wiesen die Angriffe der Opposition zurück. Die Einführung der Ganztagsschulen sei eine der wichtigsten Aufgaben der letzten fünf Jahren gewesen und bringe mehr Chancengleichheit, erklärte Sandra Boser (Grüne). Soziale Unterschiede könnten in dieser Schulform ausgeglichen werden, die Qualität der Bildung werde verbessert und der Unterricht sei pädagogisch wertvoll. Am besten sei die Ganztagsschule mit Lernen am Vormittag und zusätzlichen Angeboten am Nachmittag an vier Tagen umzusetzen. „Wir bieten Qualität und Flexibilität“, sagte Boser; zudem werde der Schulalltag entzerrt.
SPD weist auf Wahlfreiheit der Eltern hin
Für Klaus Käppeler (SPD) ist die Verankerung der Ganztagsschulen in Baden-Württemberg ein historischer Erfolg. Es gebe keinen Zwang, die Eltern hätten die Wahlfreiheit, wie die Ganztagsbetreuung erfolge. Die Schulen könnten in Absprache mit den Eltern wählen, ob es die Angebote an drei oder vier Tagen und an sieben oder acht Stunden gebe. „Jede Schule kann sich zur Ganztagsschule entwickeln, sie muss es aber nicht“, stellte Käppeler fest.
Quelle/Autor: Wolf Günthner