Goll warnt Stickelberger davor, Bewährungshilfe wieder zu verstaatlichen
Stuttgart. „Die Landesregierung wird in den nächsten Wochen über die Zukunft der Bewährungshilfe entscheiden.“ Das kündigte Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) am Mittwoch im Landtag an. In einer von der FDP beantragten aktuellen Debatte sagte er zu, die von der Firma Neustart geschaffenen Strukturen beizubehalten.
Diese Strukturen seien aber unabhängig vom Betreiber, ergänzte der Justizminister. Er verwies darauf, dass selbst bei einer erneuten Ausschreibung nicht gewährleistet wäre, dass Neustart – der freie Träger betreibt die Bewährungshilfe seit 2007 – den Zuschlag erhalte.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, eine landeseigene GmbH zu gründen. Darauf wies der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sascha Binder, hin. Dies würde es dem Land ersparen, die Bewährungshilfe neu auszuschreiben. Dann müssten sich die Mitarbeiter nicht alle zehn Jahre die Frage stehen: „Wie geht es weiter?“
Bis 2007 waren die Sozialarbeiter „ihrem Schicksal überlassen“
Der Rechtsexperte der FDP, Ex-Justizminister Ulrich Goll, äußerte sein Bedauern, dass die Opposition in die aktuellen Überlegungen nicht eingebunden sei. Viele bei Grünen und SPD wüssten nicht, in welchem Zustand sich die Bewährungshilfe 2007 befunden habe. „Vor zehn Jahren war die Bewährungshilfe krass reformbedürftig“, sagte Gall. Die Sozialarbeiter seien „ihrem Schicksal überlassen“ gewesen. Es habe keine Standards, keine Transparenz, keine Supervision und keine Fortbildung gegeben.
Goll warnte seinen Amtsnachfolger davor, zu einem Zeitpunkt, da sich die Notariats- und Grundbuchreform an einem kritischen Punkt befinde, „noch ein Fass aufzumachen“. Der im März präsentierte Evalutionsbericht habe zudem gezeigt, dass sich die Beauftragung von Neustart bewährt habe.
Darauf verwies auch der CDU-Sprecher für Justizvollzug, Karl Zimmermann. So sei die Zahl der widerrufenen Bewährungsstrafen innerhalb von zehn Jahren von 2100 auf 1800 zurückgegangen. Zimmermann wies die Kritik des Landesrechnungshofs an der Reform zurück. Zwar seien die Kosten der Bewährungshilfe nicht gesunken. Gleichzeitig habe das Land aber viel Geld bei der Unterbringung von Strafgefangenen gespart.
Umstritten zwischen Regierung und Opposition blieb die Bewertung eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. November 2014; darin hatten die Richter vor allem Anstoß an den Weisungsrechten genommen, die der freie Träger gegenüber den Beamten besitzt. Während etwa Stickelberger von einem „vernichtenden Urteil“ sprach (siehe auch „Stimmen zum Thema“), äußerten Zimmermann und Goll die Ansicht, dass es genügen werde, einige Passagen umzuformulieren. Der Ex-Justizminister verwies darauf, dass die beiden Vorinstanzen, das Verwaltungsgericht Stuttgart und der Verwaltungsgerichtshof Mannheim, das Gesetz nicht beanstandet hatten.
2016 endet der Vertrag – und die Frist des Bundesverwaltungsgerichts
Auch der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Jürgen Filius, will die Reform von 2007 – „das war ein Quantensprung“ – nicht zurückdrehen. „Die Menschen leisten eine gute Arbeit“, sagte er. „Jetzt brauchen die Beschäftigten eine klare Entscheidung.“ Filius erinnerte daran, dass der Vertrag mit Neustart Ende 2016 ausläuft. Dann endet auch die Frist, die das Bundesverwaltungsgericht dem Landesgesetzgeber gesetzt hat.
Quelle/Autor: Michael Schwarz