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Debatten im Landtag vom 22. und 23. Juni 2022

Gefangene sollen ohne Zustimmung gemeinschaftlich untergebracht werden können

Das Justizvollzugsgesetz wird geändert: Unter anderem sollen Gefangene bei Engpässen auch ohne ihre Zustimmung gemeinschaftlich untergebracht werden können.

STUTTGART. Die Kapazitäten an Haftplätzen in Baden-Württemberg reichen nicht aus. Deshalb hat Justizministerin Marion Gentges (CDU) eine gesetzliche Regelung vorgelegt, wonach Gefangene bei Engpässen auch ohne ihre Zustimmung gemeinschaftlich untergebracht werden können. „Es hat sich erwiesen, dass die bisherigen Ausnahmen vom Grundsatz der Einzelunterbringung zu eng gefasst sind“, so die Ministerin bei der Einbringung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Justizvollzugsgesetzbuchs in den Landtag.

Der umfasst mehr als 140 im Wesentlichen redaktionelle Änderungen. In der Frage der Haftplätze verwies Gentges auf bauliche Erweiterungen, die aber nur mittelfristig realisierbar seien. Neu ist außerdem, dass Gefangene im ersten Monat ein Tagesgeld ausbezahlt bekommen können, „um subkulturelle Abhängigkeiten“ zu vermeiden, wie die Ministerin sagte. Es gehe auch darum, einer Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in den Vollzugsanstalten vorzubeugen.

Grüne für neue Regelung

Daniela Evers (Grüne) begrüßte die neue Belegungsregelung als „realpolitische Antwort auf die gegenwärtige Situation“. Das Parlament sei gefordert, schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen, und zwar auf verschiedenen Wegen: „Wichtig ist an der Regelung auch, dass die gemeinschaftliche Unterbringung nur dann erfolgen kann, wenn sie im Einklang mit den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Grundgesetzes steht.“ Sie wisse, dass Justizvollzugsanstalten wirklich bemüht seien, Mehrfachbelegungen immer schnellstmöglich aufzulösen.

Arnulf von Eyb (CDU) erinnerte daran, dass das Bundesverfassungsgericht Vorgaben erarbeitet habe. Dabei spiele die dem Gefangenen zugeordnete Bodenfläche eine Rolle, ebenso die Situation der Sanitäranlagen sowie die Dauer des täglichen Einschlusses. Speziell für die Mehrfachbelegung gelte, „dass eine räumlich abgetrennte Toilette vorhanden sein muss und dass jeder Gefangene eine Bodenfläche von vier bis fünf Quadratmetern“ zur Verfügung habe.

Taschengeldregelung sei zentral

Jonas Weber (SPD) ist das Thema Taschengeldregelung von „zentraler Bedeutung, weil es auch Schutzmechanismen innerhalb des Vollzugs auslöst“. Strukturen einer Paralleljustiz dürften gerade nicht gefüttert werden, „und solchen Mechanismen wirken wir entgegen, wenn wir Abhängigkeiten vermeiden“.

In der Frage der Platzkapazitäten schlägt Julia Goll (FDP) den Bogen zum Ministerpräsidenten. Aus ihrer Sicht wäre Rottweil „wahrscheinlich schon seit fünf Jahren in Betrieb, wenn der Bau nicht fast schon im letzten Moment von Herrn Kretschmann wieder einkassiert worden wäre“. Es habe einen einstimmigen Gemeinderatsbeschluss gegeben, „man hätte diese Anstalt angehen können, aber nein, man musste damit vor elf Jahren Wahlkampf machen“. Das wiederum habe zu einer jahrelangen Hängepartie geführt.

Bei den Themen Unterbringung und Engpässe könnten Bürger wie Politiker sich nach Meinung von Anton Baron (AfD) bei Exkanzlerin Merkel bedanken: „Unter ihrer Ägide kamen seit 2015 viele sogenannte Gäste nicht nur nach Deutschland, sondern auch sehr schnell in den Knast.“ Im Vergleich des Jahresdurchschnitts 2015 zum Jahresdurchschnitt 2019 habe es bei der Belegung im geschlossenen Vollzug einen Anstieg um rund 800 Gefangene gegeben, vorwiegend Asylantragsteller. Das sei ein bespielloser Anstieg: „Die Schutzgewährenden mussten vor ihren Schutzsuchenden geschützt werden, und das setzt sich bis heute fort.“ Die Augen fest zuzukneifen helfe nicht, auch nicht in der CDU. Denn: Fast alle geplanten Neubauvorhaben „von rund tausend Plätzen und x Milliarden an Kosten hätte man sich sparen können“.

Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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