Friedlinde Gurr-Hirsch kritisiert Chancengleichheitsgesetz als „zahnlosen Tiger“
Stuttgart. Kurz vor dem Ende der Legislaturperiode versucht die Landesregierung noch eine „rote Laterne“ loszuwerden, die das Land seit Jahren mit sich herum schleppt: Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) hat einen Gesetzentwurf zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst eingebracht. Die Ministerin sieht das Land damit nicht am Ende, sondern am Anfang einer Entwicklung zur besseren Beteiligung von Frauen „endlich auch in Baden-Württemberg“.
Friedlinde Gurr-Hirsch, die sich in ihrer CDU-Fraktion bei der Kandidatur für das Amt des Landtagspräsidenten nicht durchsetzen konnte, beackert seit vielen Jahren das Thema Gleichstellung. Sie beklagte, dass mit den neuen gesetzlichen Regelungen gerade auf kommunaler Ebene viel zu wenig erreicht werde. Explizit sei ein Frauengleichstellungsgesetz angekündigt worden, herausgekommen sei aber „ein zahlloser Tiger“. Schon durch noch von CDU und FDP auf den Weg gebrachte Chancengleichheitsgesetz habe es anerkennenswerte Fortschritte gegeben. Jetzt aber, so die ehemalige Staatsekretärin im Agrarministerium, werde beispielsweise der Geltungsbereich der neuen Regelungen auf Kommunen ab 50 0000 Einwohner begrenzt. In kleineren Gemeinden müssten die Frauen jetzt selber um ihre Stellung kämpfen. „Sie enttäuschen Ihre Befürworter“, so Gurr-Hirsch an die Adresse der Ministerin.
Für die Grünen machte die scheidende Abgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel, die bei der Kandidaten-Aufstellung in ihrem Wahlkreis von einem Mann ohne landespolitischer Erfahrung aus dem Feld geschlagen worden war, auf den Unterschied zwischen grundsätzlicher und tatsächlicher Gleichstellung aufmerksam. Letztere ziele auf Parität in allen Bereichen ab: „Wir wollen Chancengleichheit in der DNA des öffentlichen Dienstes verankern.“ Es gehe nicht nur um die Beseitigung von Benachteiligung und die Wahrung von Rechten, sondern auch um individuelle Lebensgestaltung. Kommunen müssten entsprechende Strukturen schaffen.
Schneidewind-Hartnagel hob vor allem hervor, dass Gleichstellungsbeauftragte in Kommunen ab 50 000 Einwohner künftig mit 50 Prozent vom Land finanziert werden. Das sei ein Anfang, „und darauf bin ich stolz“. Einen Seitenhieb auf das Projekt der CDU „Frauen im Fokus“ mochte sich die Eberbacher Abgeordnete nicht verkneifen: Die CDU habe sich Frauenförderung lediglich auf ihre Fahnen geschrieben, die Landesregierung hingegen lege jetzt konkrete Regelungen vor.
Sabine Wölfle (SPD) räumte ein, dass die allerdings durchaus weitergehend hätten sein können. „Aber wir haben die ‚rote Laterne‘“, so die Sozialdemokratin. Und dementsprechend sei schon die Ausgangslage nicht einfach gewesen. „Wir sind noch lange nicht am Ende“, sagte Wölfle, die auch auf weitere Regelungen durch die Große Koalition auf Bundesebene erhofft.
Die Position der FDP musste ein Mann vertreten, weil unter den sieben Abgeordneten sich keine Frau befindet. Jochen Haußmann wies darauf hin, dass in der Landesverwaltung mehr Frauen als Männer beschäftigt sind und ihr Anteil im höheren Dienst inzwischen 48 Prozent beträgt. Er kritisierte, dass die 50 000-Grenze aus Kostengründen gezogen worden sei. Anfang der Legislaturperiode sei noch von 8000 Einwohnern die Rede gewesen. Der Liberale beklagte aber auch, dass für Gleichstellung künftig etwa fünf Millionen Euro Steuergelder zusätzlich ausgegeben werden. Die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler in den Räumen der FDP-Fraktion stehe aktuell bei 48 936 Milliarden Euro allein für das Land Baden-Württemberg. Mit dem Gleichstellungsgesetz wolle Grün-Rot Wünsche von Verbänden erfüllen, ohne dass die erwarteten Effekte erzielt werden könnten. Die FDP werde das Gesetz deshalb nach der endgültigen Beratung im neuen Jahr ablehnen.