Fraktionen diskutieren über Zukunft Europas
Stuttgart. Die Abgeordneten im Landtag haben am Donnerstag auf Antrag der SPD über die Zukunft der Europäischen Union diskutiert. Hauptthema der Debatte war die Finanzkrise in Griechenland und der Vorschlag der Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder vom Montag, über ein weiteres Rettungspaket für das Land zu verhandeln. Das Paket sieht unter anderem vor, das griechische Mehrwertsteuersystem zu straffen und das Rentensystem zu verbessern. Ein weiterer Punkt ist die Einrichtung eines Privatisierungsfonds, der unter Aufsicht europäischer Institutionen das griechische Staatsvermögen verwalten soll. Europaminister Friedrich (SPD) warnte davor, ein mögliches drittes Rettungspaket als Lösung der Krise anzusehen. Ein solches biete Instrumente dazu an, doch ob diese funktionieren, sei fragwürdig.
Die SPD-Abgeordnete Rita Haller-Haid sprach sich klar gegen die „harten Forderungen“ des Rettungspakets aus. Diese erinnerten sie „an Brüning und die Weimarer Republik“. Zudem halte sie die Vorschläge der Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder für nicht ausgewogen. So würde eine Mehrwertsteuererhöhung die Kaufkraft im Land und den Tourismus schwächen. Als „absurd“ bezeichnete sie die Forderung, die griechische Regierung müsse jeden ihrer Gesetzentwürfe der „Troika“ vorlegen, bevor er ins eigene Kabinett kommt. Um der griechischen Bevölkerung zu helfen schlug Haller-Haid eine Partnerschaft Baden-Württembergs mit einer Region in Griechenland vor. So könne das Land beim Aufbau einer funktionierenden Steuerverwaltung helfen.
CDU: Hilfen darf es nur gegen Auflagen geben
Wolfgang Reinhart (CDU) warf Haller-Haid vor, sie mache sich die Welt, wie sie ihr gefalle. Man müsse realistisch sein und einsehen, dass der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras die Probleme in seinem Land durch seine Politik verstärkt habe. Seiner Meinung nach dürfe es Hilfen nur gegen Auflagen geben. Kritikern der Austeritätspolitik warf Reinhart vor, in Wahrheit eine weitere Ausgabenpolitik zu wollen. Zugleich sprach er sich deutlich gegen eine europäische Transferunion und gegen Eurobonds aus – „Wir wollen kein Fass ohne Boden“ – und forderte eine Insolvenzordnung für die Staaten in der europäischen Währungsunion.
Nach Meinung des Grünen-Abgeordneten Josef Frey zeige die aktuelle Lage hingegen, dass die „reine Austeritätspolitik“ versagt habe. So hätte die griechische Bevölkerung von dem Geld, das Deutschland dem Land geschickt hätte, so gut wie nichts abbekommen. Er forderte „langfristige Lösungen“, etwa ernsthafte Reformen im Verwaltungsaufbau des griechischen Staates. Zudem halte er den Vorschlag eines europäischen Schuldentilgungsfonds, den der deutschen Sachverständigenrat Anfang Juli geäußert hatte, für „diskutierenswert“. In Bezug auf den Vorschlag eines dritten Rettungsfonds sagte Frey: „Wir können froh sein über die Entscheidung, auch wenn Bedenken gerechtfertigt sind.“
FDP: Griechenland muss für bestimmte Zeit raus aus Währungsunion
Verärgert darüber, „dass ständig von Austeritätspolitik“ die Rede sei, zeigte sich Hans-Ulrich Rülke (FDP). In Anbetracht der zahlreichen Hilfen von insgesamt einer halben Billion Euro, die Griechenland in den vergangenen Jahren erhalten habe, sei das „Unsinn“. „So möchte ich auch mal kaputt gespart werden“, sagt Rülke. Er forderte, Griechenland für einen bestimmten Zeitraum aus der Eurozone auszuschließen, damit das Land so seine Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen könne. Zudem halte er eine neue Währung in Verbindung mit einem Schuldenschnitt für richtig, ebenso wie humanitäre und strukturelle Hilfen. Schließlich forderte Rülke eine Festschreibung des Endes der Staatsfinanzierung der Europäischen Zentralbank und eine europaweite Insolvenzordnung.
Europaminister Peter Friedrich (SPD) warf Alexis Tsipras eine „nationalistische und populistische Verhandlungsstrategie“ vor, die verhindert habe, dass Europa rechtzeitig Lösungen finden konnte. Zugleich warnte er auch im eigenen Land vor Nationalismus und kritisierte in diesem Zusammenhang scharf die Aussage von Thomas Strobl, CDU-Landesvorsitzender und Vizefraktionschef im Bundestag, von dieser Woche „Der Grieche hat jetzt lang genug genervt“. In Bezug auf den Erfolg eines dritten Hilfspakets zeigte er sich skeptisch. Jedoch verschaffe dieses Zeit, in der die Griechen ihren Staatsapparat ertüchtigen und gegen „Korruption und Oligarchie“ vorgehen könnten. Baden-Württemberg wolle alles tun, um dabei zu helfen. Zugleich betonte Friedrich, dass nicht nur Griechenland Reformen umsetzen müssen, sondern die gesamte europäische Union.