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FDP will Zahl der Wahlkreise reduzieren, Mehrheit der Fraktionen sind dagegen
STUTTGART. Die FDP will die Zahl der Wahlkreise in Baden-Württemberg von 70 auf 38 reduzieren. Weil Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke aber davon ausgeht, dass der Vorschlag keine Mehrheit im Landtag finden wird, hat er die Einbringung des entsprechenden Gesetzentwurfs mit der Ankündigung eines Volksentscheids verbunden. „Wir werden die Frage der Verkleinerung des Landtags den Bürgerinnen und Bürger vorlegen“, erklärte Rülke, der von der Möglichkeit ausgeht, dass nach der Wahl 2026 statt der eigentlich vorgesehenen 120 Abgeordnete mehr als 200 in das Stuttgarter Parlament einziehen: „Da steht sich schon die Frage in Zeiten wie diesen, wenn es heißt Gürtel enger schnallen, ob es nicht notwendig ist, dass die Opposition einen Schritt vorangeht und auch bei sich spart.“ Auch die Experten in der Anhörung hätten die Vergrößerung für erwartbar und Mehrkosten von über 200 Millionen Euro für die Steuerzahler für möglich gehalten.
Boris Weirauch (SPD) argumentierte mit anderen Zahlen: Jeden Bürger im Land koste jeder Abgeordnete derzeit sechs Cent pro Jahr. „Seien Sie mal ehrlich“, sprach der Mannheimer Abgeordnete Rülke direkt an, „Sie wissen doch gar nicht, ob der Landtag aufgebläht wird.“ Das sei Kaffeesatzleserei, „und Sie surfen damit auch auf gängigen populistischen Wellen“.
Für die Regierungsfraktionen wollten Daniela Evers (Grüne) und Arnulf von Eyb (CDU) ebenfalls Parallelen zur Vergrößerung des Bundestags angesichts der auch im Land eingeführten Möglichkeit des Stimmensplittings nicht gelten lassen. Evers ging davon aus, dass alle Fraktionen das Ideal des „nahbaren Wahlkreisabgeordnete teilen. Mit einem Durchschnitt von 300.000 Bürger:Innen pro Wahlkreis“ wäre das Gehörtwerden aber schwer umzusetzen“.
Mit Bürgern ins Gespräch kommen
Von Eyb erzählte von einer Fahrt durch seinen Wahlkreis und wie drei Frauen auf einer Bank sich über den Kontakt mit ihrem Abgeordneten gefreut hätten. So komme er mit Zufallsbürgern ins Gespräch. Den Abgeordneten werde die Möglichkeit genommen, sich mit Einzelthemen und Spezialproblemen zu befassen, und so auch „ein Teil unserer Persönlichkeit“. Rülke wiederum erinnerte daran, dass der Landtag das Soll von 120 Abgeordneten zuletzt im Jahre 1972 erfüllt habe. Seitdem habe sich viel verändert, und insbesondere die Parlamentsgröße sei aus zwei Gründen stetig gewachsen: „Zum einen aufgrund der Verelendung der ehemaligen Volksparteien, in Baden-Württemberg hat sich die CDU in den letzten 50 Jahren halbiert; und zum anderen wegen der seit 1972 hinzugekommenen neuen Fraktionen, zuerst die Grünen, später die Rechtsradikalen.“ Schon aktuelle werde die Sollgröße um mehr als 28 Prozent überschritten.
Anton Baron (AfD) sprach von einem „völlig vermurksten Landtagswahlrecht“ und von einem „Listenkugelsystem“, das dazu führe, dass Abgeordnete in den Landtag kämen, die „vom Wähler außerhalb der eigenen Familie keine fünf Stimmen bekommen würden“. Das Listenwahlrecht führt mit der grotesken Vergrößerung des Landtags und schaffe einen verschwenderischen Wasserkopf.
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer