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Europapolitische Debatte im Landtag: Konservative Kräfte vereinen sich mit Populisten – Landespolitiker setzen sich für Asylrecht und Ukraine ein
STUTTGART. Es geht, wie häufig in den turnusmäßigen Debatten des Landtags, um die „Vier Motoren“ und Baden-Württembergs Partnerschaft mit Katalonien, Rhône-Alpes-Auvergne und der Lombardei, um die Zusammenarbeit über die Schweizer und die französische Grenze, um Bildungs-, Forschungs- oder Städtepartnerschaften. Sebastian Cuny (SPD) nutzt den letzten Tagesordnungspunkt vor Eintritt in die parlamentarische Sommerpause allerdings noch zu einem ganz anderes Thema. Eigentlich, so der Weinheimer Abgeordnete, säßen die Feinde der Europäischen Union ganz rechts außen im Parlaments. Inzwischen jedoch machten sich konservative Kräfte gemein mit Populisten.
Jüngstes Beispiel sei Thorsten Frei, der Unionsfraktionsvize im Bundestag, der fordere, das Individualrecht auf Asyl abzuschaffen, obwohl auch er wisse, dass das Europa- und Völkerrecht dieses Asylrecht ganz klar als individuelles Recht mit Einzelfallprüfung garantiere. Nach dem Grünen-Landesvorsitzenden Pascal Haggenmüller, der Freis Vorstoß am Rande der Plenarsitzung als „völlig inakzeptabel“ und auch „nicht diskutabel“ bezeichnete, ist Cuny der zweite Landespolitiker, der sich offen gegen Frei und die Idee der Grundgesetz-Änderung stellt: „Wir brauchen eine Asylpolitik, die auf Solidarität und Menschlichkeit statt auf Abschreckung und Populismus setzt.“
Grundlage der Aussprache ist in der Regel der ebenfalls turnusmäßige Bericht der Landesregierung über europapolitische Fragen. Alena Fink-Trauschel (FDP) hat sich zur Angewohnheit gemacht, jene Themen anzusprechen, die ihrer Meinung nach ebenfalls hätten in diesen Bericht aufgenommen werden müssen, diesmal der russische Angriffskrieg und der konkrete Umgang Baden-Württembergs mit der Ukraine. „Menschen in der Ukraine halten für uns den Kopf hin“, so die Ettlinger Abgeordnete, „sie kämpfen auch für unsere Freiheit“. Dabei erlitten sie schreckliche Gräueltaten: Folter, Vergewaltigung, Mord. Dass dies im aktuellen Bericht kein Thema mehr sei, mache sie nachdenklich, denn „wir dürfen Putins Hoffnung auf das Ende unserer Aufmerksamkeitsspanne nicht erfüllen“. Der zuständige Staatssekretär Florian Hassler (Grüne) nannte das Land dagegen, „so was von engagiert“. Als der Krieg losgegangen sei, „ist als eine der ersten Maßnahmen die Donauraumstrategie gestärkt werden, um die Ukraine zu unterstützen“. Auch in Moldau sei Baden-Württemberg sehr aktiv.
Die Rolle des Landes im schwierigen Umgang zwischen Brüssel und Bern betonte Niklas Nüssle (Grüne). Seit dem Scheitern der Verhandlungen über das neue Rahmenabkommen seien Ausdauer und Geduld gefragt, „Geduld bedeutet dabei aber nicht, dass wir tatenlos auf Antworten warten, sondern wir setzen eigene Akzente und schreiben unsere Schweiz-Strategie fort“. Für die CDU mahnte Sabine Hartmann-Müller an, im digitalen ökologischen Wandel der Wirtschaft keine Transformation von oben zu verordnen. Notwendig seien weder staatlicher Dirigismus noch planwirtschaftliche Ansätze, „denn irgendwann versteht niemand mehr, was man noch wie lange darf, was man muss und wofür man Geld bekommt“. Stattdessen müsse auf die Kraft der sozialen Marktwirtschaft gesetzt werden, „und wie gut das klappt, sieht man beim EU-Emissionshandel. Treibhausgase erhielten ein Preisschild, klimaschädliche Produkte würden allmählich teurer und klimafreundliche Alternativen attraktiver.
Emil Sänze (AfD) bezeichnete Grünen, CDU, SPD und FDP als „Regenbogenfraktion“, die nicht bereit und gewillt sei, die realen Problemstellungen und Herausforderungen in einer angemessenen Art und Weise zu diskutieren: „Warum sollten Sie Ihre heilige Kuh namens Europäische Union auch in Frage stellen wollen?“ Hassler lobte dagegen der Schulterschluss der vier Fraktionen und die parteiübergreifende Zusammenarbeit, denn „damit sind wir auf dem richtigen Weg“.
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer