Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Ermittlungen gegen Strobl: Landtag stimmt für Untersuchungsausschuss
STUTTGART. Mit den Stimmen aller Fraktionen hat der Landtag den ersten parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzt und die Freiburger Rechtsanwältin Daniela Evers zur Vorsitzenden gewählt. Nicht durchsetzen konnten SPD und FDP den vorgeschlagenen Kurztitel „Machtmissbrauch“, unter dem die Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen den ranghöchsten Polizisten im Land ebenso subsumiert werden sollten, wie die Beförderungspraxis bei der Polizei und wie die Weitergabe eines Anwaltsschreibens im Disziplinarverfahren gegen den Inspekteur der Polizei (IdP) durch Innenminister Thomas Strobl (CDU) an einen Journalisten. Mit ihrer Stimmenmehrheit setzten die Regierungsfraktionen von Grünen und Union durch, dass der Untersuchungsausschuss im Kurztitel „IdP und Beförderungspraxis“ heißt und seine Tätigkeit Ende September 2023 beendet werden muss.
„Warum haben die Regierungsfraktionen bei dem zentralen Gegenstand, einer möglichen sexuellen Belästigung einer deutlich unter dem Inspekteur stehenden Beamtin, ein Problem damit, das Machtmissbrauch zu nennen?“, wollte Sascha Binder (SPD) wissen und verwies darauf, wie oft Grüne und CDU in den vergangenen Tagen betont hätten, dass dieser Ausgangspunkt der Affäre nicht aus den Augen verlieren werden dürfe. „Sie wollen das Ganze wegschieben vom Innenminister“, so Binder. Dabei wüssten doch alle im Landtag und viele in der interessierten Öffentlichkeit um die Vorwürfe auch gegen ihn: „Dass die Nervosität bei Grünen und CDU so groß ist, kann ich verstehen.“
„Baden-Württemberg als Bananenrepublik“
Hans-Ulrich Rülke (FDP) verglich Baden-Württemberg mit einer Bananenrepublik, weil Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf die Vorwürfe gegen seinen Stellvertreter nicht reagiert. Und er machte Einzelheiten des Vorgehens der Opposition im Ausschuss deutlich, denn erklärt werden müsse, wer den IdP in sein Amt gebracht habe, auf welchem Wege und „mit welchen Hintergedanken“ er dorthin gekommen sei. Schon werde der IdP-Skandal zum Strobl-Skandal. Schon seit Monaten dringe aus dem Landespolizeipräsidium die Kunde von Seilschaften, von manipulierten Beurteilungen, von geschwärzten Akten, von verweigerten Auskünften. Da werde jedem klar, dass der Innenminister jede Menge zu verbergen hat, „und wir werden den Augiasstall ausmisten“.
Für die AfD kritisierte Hans-Jürgen Goßner, wie Strobl auf der Regierungsbank sitze und selbstgefällig lächele, zugleich aber nicht den Schneid gehabt habe, im Innenausschuss konkrete Fragen zu beantworten. Seine Fraktion werde auch darüber wachen, ob „das Gefälligkeitsgutachten eines Berliner Promigutachters“ tatsächlich von Strobl und nicht vom Steuerzahler bezahlt werde. Ein Berliner Medienrechtler hatte alle Vorwürfe gegen den Innenminister als unbegründet eingestuft.
„Gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat“
Oliver Hildenbrand (Grüne) erkannte an, dass SPD und FDP in ihrem Einsetzungsantrag das Thema sexuelle Belästigung zu einem Schwerpunkt gemacht hätten. Zugleich beschuldigte er die Opposition, „völlig haltlose und völlig überzogene Vorwürfe zu erheben, die ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat zeigen“. „Wir lassen Ihnen das politisch nicht durchgehen, weil das politische Kalkül erkennbar ist.“ Der Innenminister solle beschädigt werden und die Landesregierung insgesamt, das aber erschüttere das Vertrauen in den Rechtsstaat, „während wir dieses Vertrauen stärken wollen“.
Andreas Deuschle (CDU) erläuterte die Namensänderung damit, dass der Titel „Machtmissbrauch“ als Provokation zu verstehen sei, „der Titel mutet hysterisch und aggressiv an und es ist eine Vorverurteilung damit verbunden“. Die „angekündigte unbestimmte Zeitspanne“ sei aber mit der CDU nicht zu machen, denn das heikle Thema brauche „eine präzise und vorausschauende Planung“. Binder rechnete darauf hin vor, dass nach den Erfahrungen aus vielen Untersuchungsausschüssen im Landtag dem neuen Gremium gerade mal von September 2022 bis Juli 2023 zur Sacharbeit bleibe.
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer