Emotionale Diskussion um das neue Jagdrecht
Stuttgart. „Einen Bock geschossen“, „falsches Kaliber gewählt“, „über das Ziel hinausgeschossen“ – kaum ein Wortspiel rund um die Jagd wurde ausgelassen bei der seitens der CDU/FDP-Opposition scharf und emotional geführten Debatte über das neue Jagdrecht in Baden-Württemberg, das derzeit in Vorbereitung ist.
Schon der Titel der auf FDP-Initiative auf die Tagesordnung gesetzten aktuellen Debatte war ein Statement: „Das Jagdrecht im Visier der Landesregierung – mit ideologischer Verbotskultur schadet Grün-Rot dem ländlichen Raum“. Friedrich Bullinger (FDP) und Wolfgang Reuther (CDU) warfen der grün-roten Landesregierung ein „gestörtes Verhältnis zum Eigentum“, „ideologische Verbotskultur“ und „Bevormundung und Gängelung der Jäger“ vor. Kritisiert wurden unter anderem die geplante zweimonatige Ruhezeit sowie die Änderung mehrerer Abschussregeln. „Es ist zu befürchten, dass sich künftig immer weniger bereitfinden, die Jagd auszuüben“, sagte Bullinger, „das Gesetz geht völlig an der Praxis vorbei.“ Reuther kritisierte, dass mit dem Gesetzesentwurf so ziemlich alle beteiligten Verbände vor den Kopf gestoßen würden. Das Gesetz würde das Jagdrecht künftig unter die Ideologie des Tier- und Naturschutzes stellen. „Die Jäger werden zu Erfüllungsgehilfen gemacht und in ihrem Eigentumsrecht beschnitten“, sagte Reuther.
„Die Jagd ist ein emotionales Thema"
Dagegen verwiesen Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) sowie Reinhold Pix (Grüne) darauf, dass auch das Landesjagdrecht in Baden-Württemberg an veränderte rechtliche Vorgaben auf europäischer und bundespolitischer Ebene angepasst werden müsse. „Das ist die erste größere Novellierung des Landesjagdgesetzes seit 20 Jahren“, sagte Bonde, „inzwischen hat der Tierschutz in Deutschland Verfassungsrang und der Arten- und Tierschutz in Europa wurde unter maßgeblicher Hilfe der CDU geändert, das müssen wir auch im Land in ein modernes Gesetz einfließen lassen.“ Bonde warf der Opposition vor, mit einer ideologischen Schrotflinte unterwegs zu sein. Es habe in den vergangenen Jahrzehnten massive Veränderungen im Wald und rund um die Jagd gegeben. Das neue Gesetz solle dazu beitragen, den gesellschaftlichen Rückhalt für Jagd und Jäger wieder zu erhöhen, indem deren Beitrag zum Natur- und Tierschutz besser herausgestellt werde, sagte Bonde: „Wir müssen ernst nehmen, dass vieles kritischer betrachtet wird und dass auch negative Einzelfälle große Imageschäden für die Jagd anrichten können.“
Der Minister verwies zudem darauf, dass das neue Gesetz einen Kompromiss zwischen den extrem weit auseinanderliegenden Interessen aller Beteiligten – Jäger, Landwirte, Natur- und Tierschützer sowie Kreisen und Kommunen – darstellen müsse. „Die Jagd ist ein emotionales Thema, keiner hat sich hier hundertprozentig durchgesetzt, deshalb herrscht auch Unzufriedenheit“, so Bonde über den Entstehungsprozess der Vorlage, die in der kommenden Woche in die Anhörung geht.
Auch Reinhold Pix wies den Vorwurf eines ideologischen Vorgehens zurück. „Wir haben keine andere Wahl, als das Jagdschutzrecht zu novellieren. Es geht gar nicht um Ideologie, sondern wir nehmen die Kompetenz der Jäger, um im Naturschutz voranzukommen, die Jagd auch bei kritischen Bürgern wieder akzeptabel zu machen und die Jäger aufzuwerten“, so Pix. „Deshalb machen wir das.“ Und dem Vorwurf der Opposition, das neue Gesetz befördere die weitere landwirtschafts- und landschaftsgefährdende Ausbreitung des Schwarzwildes und verhindere dessen Bekämpfung, begegnete Pix unter großem Beifall mit dem Satz: Wie man Schwarze bekämpft, das wissen wir Grüne immer noch am besten.“
Beteiligungsrunden im Vorfeld
Hans-Peter Storz (SPD) lobte die Beteiligungsrunden im Vorfeld. „Es waren alle Betroffenen eingeladen, es gab 26 Gesprächsrunden, an denen nicht nur Natur- und Tierschützer, sondern auch Jagdverbände, Landwirte, Kommunen und Kreise teilgenommen haben“, sagt Storz. Aber am runden Tisch müssten Kompromisse gemacht werden. „Zum dialogischen Prozess gehört es, Kompromisse zu akzeptieren, wenn man sonst nicht zu einem Konsens kommen kann“, so Storz. „Das ist keine Ideologie.“ Allerdings habe sich die Welt seit den 1950er-Jahren geändert, als Jäger ein ähnliches gesellschaftliches Ansehen genossen wie Lehrer oder Pfarrer. „Welche Akzeptanz genießt die Jagd heute in der Gesellschaft?“ fragte Storz. Es sei wichtig, das Jagdgesetz zu erneuern, das Bild der Jäger modernisieren und ihnen neue Akzeptanz zu verleihen. „Man muss deutlich machen, dass Jagd nicht nur tötet, sondern auch zum Tier- und Naturschutz beiträgt. Wir haben drauf geachtet, dass der Tierschutz wichtiger wird, aber die Jagd nicht einschränkt.“
Quelle/Autor: Ulrike Bäuerlein