„Ella“: Strobl verteidigt „Mut zum Risiko“
Stuttgart. Mit schweren Vorwürfen der Opposition sahen sich Kultusministerin Susanne Eisenmann und Innenminister Thomas Strobl (beide CDU) am Mittwoch im Landtag konfrontiert, weil die bereits 2015 grundsätzlich beschlossene digitale Bildungsplattform „Ella“ für die 4100 Schulen im Land technisch vorerst gescheitert ist. SPD und FDP drohten mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
„Die Kultusministerin wie ich sind ins Gelingen verliebt“, sagte Strobl, der allerdings für sich in Anspruch nahm, im Zusammenhang mit „Ella“ ganz bewusst „die Komfortzone“ zu verlassen und Neuland betreten zu haben. Deshalb sei es falsch zu sagen, das Land habe verabsäumt, sich an Bayern und Hessen ein Beispiel zu nehmen. „Wir haben Mut zum Risiko und wollen die beste Bildungscloud der Republik", so der Innenminister weiter. Und eben nicht Bayern oder Hessen.
Timm Kern (FDP) ließ dieses Argument allerdings nicht gelten und griff Strobl an. Wenn der zuständige Minister das wichtigstes Digitalisierungsprojekt der Legislaturperiode mit derartigem Desinteresse begleite, dann sei er nicht der richtige Mann für diese Aufgabe. Schon von Anfang der Legislaturperiode an sei es falsch gewesen, dass sich Grüne und CDU nicht auf ein eigenständiges Digitalisierungsministerium hätten einigen können.
Für die SPD beklagte Stefan Fulst-Blei, dass mit dem Scheitern „8,7 Millionen Euro an die Wand gefahren“ worden seien und die Ministerin die Herausgabe des Gutachtens zum Zustand der Einführungsbemühungen „gekonnt herausgezögert hat“. Eisenmann betonte, sie selbst habe „den Startschuss gestoppt“ und den externen Gutachter beauftragt. Unmittelbar nach der Pfingstpause habe sie es an die Landtagsverwaltung weitergereicht und analog statt digital versendet, in der Erwartung, es komme weniger schnell an die Öffentlichkeit, was allerdings nicht funktioniert habe: „Noch nie war ein internes Papier so schnell bei der Presse.“
Eisenmann, die als einzige den Regeln der aktuellen Debatte entsprach und ihre Rede zur Gänze frei hielt, kündigte „maximal Transparenz“ an. „Der alten Handwerker-Regel entsprechend“ würden vorläufig mit den bisherigen Partnern alle Versäumnisse aufgearbeitet, um zu klären, ob eine weitere Zusammenarbeit möglich ist. Wenn dies nicht möglich sei, würden weitere Entscheidungen getroffen.
Die Grünen-Bildungsexpertin Sandra Boser räumte ein, dass „Ella“ auch für ihre Fraktion eine Ernüchterung sei. Das habe sie nie verschwiegen. Zugleich sei gerade deshalb notwendig schnell zu prüfen, wie „eine digitale Bildungsplattform zeitnah auf den Weg zu bringen“. Eisenmann kündigte erste Weichenstellungen innerhalb der nächsten vier Wochen an.
Für die CDU-Fraktion hatte zuvor Siegfried Lorek daran erinnert, dass die Auswahl nicht freihändig erfolgt sei. Stattdessen sei noch in der Verantwortung von SPD-Innenminister Reinhold Gall per Gesetz entschieden worden, dass alle Dienststelle zur Beauftragung der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg, kurz Bit-BW, verpflichtet. Und Lorek sieht auch den früheren Kultusminister Andreas Stoch (SPD) in der Mitverantwortung, weil der im Dezember 2015 per Pressemitteilung die digitale Bildungsplattform und neue Standard angekündigt hat. Und was sei „nach der vollmundigen Ankündigung des damaligen Kultusministers passiert? Passend zur SPD: Nichts“. Ministerin Eisenmann habe dagegen den „von der SPD initiierten Kabinettsbeschluss umgesetzt“, so der Waiblinger Abgeordnete weiter, „sie wurstelt nicht weiter, sondern sie handelt mutig und entschlossen und hat das Gutachten in Auftrag gegeben, den zu guter Politik gehört die Reflexion“.
Kern setzte andere Schwerpunkte. Die Kultusministerin gebe sich „überrascht und erbost“. Dabei verhalte sich die für „Ella“ von Beginn an „wie eine private Bauherrin, die sich ein Haus bauen lässt, aber erst am Tag des Einzugs zum ersten Mal die Baustelle betritt und sich dann wundert, dass das Haus nicht steht“. Dabei „hätte sie von Anfang an dieses für die Bildung so wichtige und zudem teure Projekt zur Chefsache machen müssen“. Diese organisierte Verantwortungslosigkeit dieser Landesregierung führe nun dazu, „dass unsere Schulen in Baden-Württemberg bis auf absehbare Zeit nichts Anderes erwarten können als digitale Hiobsbotschaften“.
Rainer Balzer (AfD) umriss den Rahmen: Von den geplanten 24,5 Millionen Euro seien bereits 8,7 in den Sand gesetzt. Es habe weder eine vertragliche Grundlage geben, noch ein Pflichtenheft. Stattdessen liege eine einzige Power-Point-Präsentation zu Grund. Und er bezeichnet „Ella“ als Leiche im Keller, als „eine schöne Frau“ – diese sei auch meist auch teurer als gedacht und komme nicht pünktlich.
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer