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Debatten im Landtag

Die Polizeigewerkschaften sehen Handlungsspielraum beim Land

Darüber, dass Konsequenzen aus dem tödlichen Messerangriff in Mannheim gezogen werden müssen, sind Grüne, CDU, SPD, FDP und Gewerkschafter einig. Weit auseinander liegen die Forderungen. Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPOLG), Ralf Kusterer, verlangt von Grün-Schwarz einen „Doppel-Doppel-Wumms“.

Es gibt immer mehr Extremisten in Baden-Württemberg, ob von links, von rechts oder islamistisch geprägt.

Foto: IMAGO/Hannes P. Albert)

Stuttgart. Zufällig saßen Polizeischüler auf der Besuchertribüne, als im Plenarsaal auf Antrag der SPD-Fraktion unter dem Titel „# einervonuns “ über die die Mannheimer Tat, die Verteidigung der Demokratie und die Bekämpfung des Extremismus diskutiert wurde. Zielgerichtet dagegen besuchten die Gewerkschaftsvertreter, neben Kusterer , Gundram Lottmann, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, und Steffen Mayer vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, den Landtag. „Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns auch endlich Taten sehen“, zitierte Kusterer nach der Debatte Thomas Strobl (CDU), der seinerseits und mit Blick auf die Bundesregierung zu dem Goethe-Zitat gegriffen hatte.

Gewerkschafter sehen Handlungsspielraum beim Land

Strobl appellierte erneut an die Ampel, den Weg für Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien frei zu machen. Und er sprach sich dafür aus, die europarechtlich eröffneten Möglichkeiten zur Vorratsdatenspeicherung zu nutzen. Strobl sieht bei Letzterem den Bund und – ohne die FDP namentlich zu nennen – „eine sich selber marginalisierende Kleinpartei“ in der Pflicht. Die Gewerkschafter sehen dagegen Möglichkeiten auch beim Land. Das Polizeigesetz könnte noch einmal geändert werden. „Wir brauchen den Zugriff auf Daten nicht, wenn Täter schon bekannt sind“, erläuterte Mayer, „sondern die Möglichkeit zu klären, wo IP-Adressen hingehören.“ Dazu müsse der europarechtliche Spielraum nicht nur genutzt, sondern ausgereizt werden. „Wenn stimmt, dass sich die Gefahrenlage verändert hat“, so Kusterer , „dann müssen sich die Möglichkeiten ebenfalls ändern.“

SPD-Fraktion lädt Polizeigewerkschaften zum Austausch ein

Die SPD-Fraktion hatte die Gewerkschafter zum Gedankenaustausch am Rande der Debatte eingeladen. Übereinstimmung besteht in der Einschätzung, dass die Polizei über den Doppelhaushalt 2025/2026 besser ausgestattet werden muss. Er werde keine Kürzungen akzeptieren, so Strobl, weil das nicht zu verantworten sei. Stattdessen fordert er „einen deutlichen Aufwuchs“. Damit ist es nach Meinung der Gewerkschafter aber nicht getan. Die Polizei sei grundsätzlich unterfinanziert, sagte Kusterer . „Die Liste der Notwendigkeit wird immer länger“, ergänzte Mayer, „und wenn wir jetzt nicht investieren, wird sie noch Länger und wir werden schlussendlich Schlusslicht.“

Als aktuelle Beispiele nannte Stoch die Verpflegung während der Fußball-Europameisterschaft und fehlende sanitäre Anlagen. Beides sei eine Frage der Wertschätzung und die Versäumnisse seien daher nicht zu akzeptieren. Die CDU-Fraktion macht sich für eine bessere Versorgung Hinterbliebener stark. „Damit wird eine unserer Forderungen aufgenommen“, so Lottmann, der den Nachholbedarf mit Zahlen unterfütterte: „Wäre Rouven L. bei der Bundespolizei beschäftigt gewesen, würden die Hinterbliebenen 100 000 Euro erhalten, in Hessen sogar 120 000 Euro, und da müssen wir fragen, ob wir Beamtinnen und Beamte in Baden-Württemberg Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zweiter Klasse sind?“ Grundsätzlich versprach auch Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz, „Polizistinnen und Polizisten bestmöglich zu schützen und bestmöglich auszustatten“.

Rülke fordert, dass Straftäter vor der Abschiebung Strafe verbüßen

Gerade die Grünen wollen zudem mehr Augenmerk auf die Klärung der Frage legen, wie sich Menschen radikalisierten. „Welche Ursachen hat das?“, so Fraktionschef Andreas Schwarz (Grüne) rhetorisch, „wie können wir durch Prävention, durch andere Methoden, durch andere Arbeit eine solche Radikalisierung vermeiden?“ Und Schwarz schlug vor, einerseits weiter über Extremismus zu sprechen, aber andererseits über die freiheitliche Demokratie, „denn die freiheitliche Demokratie in unserem liberalen und weltoffenen Land bietet so viele Möglichkeiten und Perspektiven“. Es lohne sich „jeden Tag für unsere liberale Werteordnung einzustehen“.

Strobl und Kusterer zitierten Goethe, Hans-Ulrich Rülke (FDP) zitierte Voltaire: „Ich bin zwar nicht Ihrer Meinung, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie sie sagen dürfen.“ Dieser Satz sei “nicht nur ein eindrückliches Ausrufezeichen aufgeklärter abendländischer Philosophie, sondern er ist auch für Polizeihauptkommissar Rouven Laur zum Schicksal geworden“. Dazu nutzte der FDP-Chef die auch von heftigen Wortwechseln mit der AfD geprägten Debatte zu einer grundsätzlichen Klarstellung in der Auseinandersetzung um die Abschiebung von Straftäter, denn in der dürfe man „nichts verrutschen“. Es könne nicht darum gehen, “konkret diesen afghanischen Straftäter abzuschieben, denn möglicherweise ginge es ihm dann sogar besser als vorher“. Und weiter: „Wer bei uns schwere Straftaten verübt, muss zunächst abgeurteilt werden und seine Strafe verbüßen, und dann kann er abgeschoben werden.“

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