Debatte über Mittelmaß der Schüler in Naturwissenschaft
Stuttgart. In Mathematik und Naturwissenschaften sind die Schüler am Ende der Sekundarstufe I in Baden-Württemberg bloß bundesdeutsches Mittelmaß – dieses Ergebnis des Länderberichts 2012 des Berliner Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) beschäftigte in einer Debatte den Landtag. Mit dem Titel der Debatte hatte die SPD-Fraktion die Schlagrichtung vorgegeben – „3. IQB-Länderbericht – Abschlussbilanz der Bildungspolitik von CDU und FDP/DVP“.
SPD-Bildungspolitiker Stefan Fulst-Blei holte auch gleich zu einem entsprechenden Rundumschlag gegen die Bildungspolitik der schwarz-gelben Vorgängerregierungen aus. Keinesfalls seien die 2012 erfassten Ergebnisse ein Warnschuss für Grün-Rot, wie es der CDU-Bildungspolitiker Wacker gegenüber der Presse genannt habe, sondern eine Bilanz schwarz-gelber Bildungspolitik. „2012 konnten die von uns eingeleiteten Veränderungen noch gar nicht greifen. Diese alarmierenden Zahlen stellen die Abschlussbilanz von CDU und FDP dar, und sie zeigen, wie dringend Reformen notwendig waren und sind“, sagte Fulst-Blei, der das vergleichsweise schlechte Abschneiden der Schüler in Mathematik, Chemie und Physik als „Gefahr für das Hochtechnologieland Baden-Württemberg“ bezeichnete. Fulst-Blei nutzte die Gelegenheit, die bildungspolitischen Veränderungen aufzuzählen, die Grün-Rot seit Regierungsübernahme dem auf den Weg gebracht habe. „Wir haben die Zeichen nicht nur erkannt, sondern Maßnahmen zur Reform ergriffen und machen Baden-Württemberg zukunftssicher“, sagte er.
CDU bemängelt, Ursachen für schlechtes Abschneiden würden nicht bekämpft
Volker Schebesta (CDU) mahnte an, jetzt die richtigen Konsequenzen aus den IQB-Ergebnissen zu ziehen. „Die Frage ist doch: Was geben uns dieses Leistungsstudien mit auf den Weg?“ Im Übrigen bemängelte Schebesta, dass die von Fulst-Blei zitierten Maßnahmen – wie die Einrichtung der Gemeinschaftsschulen – nichts mit den vom IQB angeführten beiden Hauptursachen für das mäßige Abschneiden der Schüler zu tun hätten. Als Gründe hatte das IQB die vergleichsweise geringe Zahl an Fort- und Weiterbildungen baden-württembergischer Lehrkräfte sowie den hohen Anteil von fachfremd unterrichtenden Lehrern in den Naturwissenschaften ausgemacht. Auf diese beiden Punkte habe es bislang keine Antworten von Grün-Rot gegeben.
„Wir haben den Auftrag, jetzt gemeinsam darüber nachzudenken, die Naturwissenschaften zu stärken“, appellierte für die Grünen deren bildungspolitische Sprecherin Sandra Boser an alle Fraktionen. „Die Ergebnisse der IQB-Studie 2012 waren für die Naturwissenschaften nicht gut.“ Sorge bereitet Boser vor allem das schlechtere Abschneiden von Mädchen in den Naturwissenschaften. „Außerdem muss die Lehreraus- und -fortbildung ein großes Thema sein. Wir brauchen mehr Lehrer, die sich für die Naturwissenschaften begeistern“, so Boser. Dass vor allem bei den Haupt- und Realschulen ein großer Anteil fachfremder Lehrer unterrichte, schade vor allem schwächeren Schülern. „Deshalb brauchen wir Lehrkräfte über alle Schularten hinweg. Wir brauchen dafür aber keine neue Schulstrukturdebatte, denn hier geht es um die Schüler“, sagte sie.
Stoch: Anpassung der Bildungspläne wird künftig Unterricht verbessern
Für die Liberalen lobte der Bildungspolitiker Timm Kern seine Landtagskollegin Boser für deren sachlichen Beitrag. Die Tatsache, dass der IQB-Bericht 2012 eine schlechte Bilanz gezogen habe, lasse aber nicht den Umkehrschluss zu, dass die neueren Maßnahmen von Grün-Rot richtig seien. „Das ist unzulässig“, sagte Kern.
Für Kultusminister Andreas Stoch (SPD) schließlich sind die IQB-Ergebnisse erneut ein Anlass, kritisch zu hinterfragen, was an früher in der Bildungspolitik verfolgten Zielen nicht mehr zu halten sei. Der häufige Einsatz fachfremder Lehrer führe etwa zur Frage, in welcher Größe Schulen aufrechterhalten werden könnten. „Gerade an kleinen Schulen führt die Erkrankung eines Fachlehrers zum Einsatz fachfremder Lehrer“, sagte Stoch und rief als Ziele besseren Unterricht, eine höhere Qualifikation der Lehrer und die Erhöhung von deren fachlichen Qualitäten auch jenseits des Gymnasiums aus. Die Anpassung der Bildungspläne könne ein Mittel sein, die Unterrichtsvermittlung zu verbessern. Mit der Reform der Lehrerausbildung für die Sekundarstufe II werde zudem der Grundstein für bessere individuelle Förderung gelegt. „Wir wollen die Erkenntnisse aus der IQB-Studie nicht zur Schuldzuweisung nutzen, sondern zu Verbesserungen für die Schüler“, sagte Stoch. „Die Studie hat uns ein großes Pflichtenheft hinterlassen, und wir sollten uns der Probleme ohne ideologische Diskussionen annehmen.“