Corona: Regional unterschiedliches Vorgehen möglich
Stuttgart. Weil Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nicht den Landtag direkt, sondern zuerst und zeitgleich zur Plenarsitzung Medienvertreter über die Ergebnisse der Bund-Länder-Beratungen zu den Corona-Lockerungen informieren wollte, kam es am Mittwoch zu erheblichen Verstimmungen.
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch wollte sogar zu einem selten verwendeten Instrument greifen und den Regierungschef in Parlament zitieren lassen. Der allerdings änderte seine Pläne, unterrichtete die Parlamentarier, sagte die Pressekonferenz ab und bedauerte seinen „der Routine“ geschuldeten Fehler, weil immer nach derartigen Runden Pressetermin angesetzt worden seien. Das werde sich nicht wiederholen.
Land führt Ampelsystem ein
In der Sache erläuterte Kretschmann das weitere Vorgehen der Landesregierung, die im Umgang mit Corona ein Ampelsystem einführen wird. Außerdem machte er öffentlich, dass schon seit Längerem an einem Stufenplan arbeite, um Maßnahmen zurückzufahren. Alle Ressorts waren aufgerufen, für ihren Bereich Lockerungen zu definieren, die unbedenklich sind, also mit Grün versehen werden. Aktivitäten, die – zumal in belasteten Regionen oder dort, wo es zu neuen Ausbrüchen gekommen ist – ganz genau beobachtet werden müssen, bekommen die Farbe Gelb zugeordnet. Und Rot steht wie im Straßenverkehr für Stopp, etwa bei Großveranstaltungen. „Die kann es“, sagt Kretschmann, „bis auf weiteres sicher nicht geben.“
Außerdem ist ein differenziertes Vorgehen beschlossen. Als Beispiel nannte Kretschmann einen Landesparteitag, bei dem bekannt sei, wer anreise und ein Feuerwehrfest, bei dem Kontakte nicht oder nur schwer zurückverfolgt werden könnten. Grundlage dafür, dass die Lockerungen in einzelnen schritten beibehalten werden können, ist die Entwicklung der Infiziertenzahlen: Wenn es auf 100000 Einwohner in einem Landkreis innerhalb von sieben Tagen 50 Neuinfektionen gibt, die nicht einem einzigen und klar abzugrenzenden Ort zuzuordnen sind, etwa einem Altenheim oder einer Landeserstaufnahme, werden wieder Einschränkungen verhängt. „Dann ist uns wichtig“, so Kretschmann, „dass alle Öffnungen, die das Risiko einer weiteren Ausbreitung mit sich bringen, schnell wieder heruntergefahren werden.“ Denn Brandherde müssten schnell bekämpft werden.
Unterschiedliche Herangehensweise der Koalitionspartner
Betroffen wären nach heutigem Stand vor allem als gelb eingestufte Maßnahmen, etwa die Gastronomie, Tanzschulen und Kletterhallen. Vorerst keine Hoffnungen mochte Kretschmann Barbesitzern machen oder den Betreibern von Wellness- und Saunalandschaften. Sie fallen noch für längere Zeit unter die Ampelfarbe Rot. Besser sind die Aussichten für Fans von Freizeitparks: Sollte sich das epidemiologische Geschehen weiter günstig entwickeln, stellt die Landesregierung eine Öffnung für die Zeit nach Pfingsten in Aussicht.
In der Debatte wurde auch die unterschiedliche Herangehensweise der Koalitionspartner deutlich. Für die CDU drängte Fraktionschef Wolfgang Reinhart auf eine engere Einbindung des Landtags. Der müsse künftig wieder mitentscheiden. Und vor allem müsse gelten: „Nicht die Öffnung ist begründungspflichtig, sondern die Beschränkung“. Seine Forderung nach Öffnung der Gastronomie mit einem konkreten Datum mochte er allerdings nicht versehen.
Für die FDP ist die Einschränkung der Grundrechte nicht nachvollziehbar
Für die AfD kritisierte Fraktionschef Bernd Gögel, dass die Landesregierung nicht entschieden genug vorgehe beim Herunterfahren von Verboten und Einschränkungen. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erinnerte daran, wie zahlreiche der weiterhin geltenden Maßnahmen mit dem drastischen Anstieg der Infizierten-Zahlen erklärt worden waren. Die seien inzwischen als Begründung aber nicht mehr tauglich und „angesichts der aktuellen Zahlen ist die Einschränkung der Grundrechte nicht nachvollziehbar“. Andreas Stoch (SPD) verlangt mehr Planbarkeit, dass die Landesregierung auf die Floskel „Wir fahren auf Sicht“ verzichte, denn die erinnere die Bevölkerung zu sehr an „Wir stochern im Nebel“.
Uneingeschränkt hinter Kretschmann stellte sich Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz, der auch die zuletzt in der CDU kritisiert Zurückhaltung des Ministerpräsidenten im weiteren Vorgehen lobte. Denn: „Wir brauchen keine Marktschreier.“