CDU wirft der Landesregierung „kulturpolitisches Versagen“ vor
Stuttgart. Die Fusion der beiden renommierten SWR-Rundfunkorchester – des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart (RSO) sowie des SWR-Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg – zu einem Klangkörper ist längst beschlossene Sache. Dennoch beschäftigte sich der baden-württembergische Landtag erneut mit der Frage, ob und unter welchen Umständen die beiden Orchester als eigenständige Klangkörper erhalten werden können. Bereits zuvor hatte die CDU-Fraktion die Landesregierung dazu aufgefordert, sich mit möglichen Rettungsmaßnahmen zu befassen und den SWR dazu zu bringen, Alternativen zu einer Fusion prüfen. Das Thema hatte bereits ausführlich den Wissenschaftsausschuss beschäftigt und wurde abschließend nochmals im Plenum beraten.
Die Vertreter von Grünen und SPD sowie Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) als Vertreterin der Landesregierung verwiesen erneut darauf, dass es nicht die Aufgabe und die Kompetenz der Landesregierung sei, in Entscheidungen des SWR einzugreifen. „Die Bedeutung des Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg vor allem für Neue Musik stellt niemand in Frage“, sagte Krebs und nannte die Fusion eine bedauerliche Entscheidung. Diese sei allerdings im Landesrundfunkrat gefallen, der mehrfach mit deutlichster Mehrheit für eine Fusion gestimmt habe. „Das ist eine autonome Entscheidung dieser Gremien, die wir nicht kritisieren sollten, sondern zu respektieren haben“, so die Ministerin. Im Übrigen sei es keine Entscheidung gegen Musikkultur, sondern eine Entscheidung für die Zukunft des SWR gewesen. „Es ist eine Frage der Staatsferne. In eine strategische Entscheidung des SWR wird sich die Landesregierung nicht einmischen.“
Dagegen warf der frühere Kultusminister Helmut Rau (CDU) der Landesregierung vor, sich weggeduckt, nichts zum Erhalt beider Orchester unternommen zu haben und sich ernsthaften Lösungsversuchen zu verweigern. „Der SWR würde nicht in seiner Unabhängigkeit gefährdet, wenn sich das Land um einen anderen Träger bemüht hätte“, so Rau, der konstatierte, das badische Orchester werde von der eigenen Landesregierung im Stich gelassen. „Wenn es verschwindet, ist es der Untätigkeit des Landes zuzuschreiben“, so Rau. Selbst Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) halte die Entscheidung für eine Fusion für falsch, unternehme aber nichts.
Rau spricht von Wegducken
„Der SWR hätte anders entscheiden können“, sagte Rau, „das enthebt das Land aber nicht von der Verpflichtung, alles zu tun, um den Untergang des Sinfonieorchesters zu verhindern. „Ihr Wegducken ist ein Symptom für kulturpolitisches Versagen, das wird auch bei den Kulturträgern im Land so empfunden.“ Rau forderte die Landesregierung auf Land auf, in Verhandlungen über eine Stiftungslösung einzutreten.
Manfred Kern (Grüne) spielte den Ball an die CDU zurück. „Das Versagen liegt auf Ihrer Seite, Ihre Leute haben im Rundfunkrat für die Fusion gestimmt“, sagte er. Kulturpolitisch sei diese SWR-Entscheidung „außerordentlich zu bedauern“, aber es sei nicht Aufgabe von Parlament und Regierung, Einsparpotenzial beim SWR zu finden. „Der Prozess der Fusion bereits angelaufen, der Zug ist abgefahren“, sagte Kern. Zudem verwies er darauf, dass der Etat der Landesregierung für die Unterstützung von Orchestern jährlich elf Millionen Euro betrage – so viel würde im Jahr bereits allein die Fortführung des badischen Sinfonieorchester kosten. „Das ist für den Haushalt nicht zu machen“, so Kern. Auch Helen Heberer, Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses, verwies darauf, dass der Antrag der CDU, mögliche Erhaltungsstrukturen zu überprüfen, erst zu einem Zeitpunkt eingegangen sei, an dem die Entscheidung bereits gefallen war. „Diese Fusion ist schmerzlich und bedauerlich, aber finanziell begründet“, so Heberer. „wir können nicht in die Entscheidung des SWR eingreifen, so gerne wir dies auch aus kulturpolitischen Gründen tun würden.
Für FDP ist Auflösung ein Akt der Barbarei
Ulrich Goll (FDP) schlug vor, zu prüfen, ob man dem SWR einen Teil der überschüssigen Rundfunkgebühren für Kunst- und Kulturförderung zur Verfügung und so das Orchester retten könnte. „Das ist kein einfaches Thema“, räumte Goll ein, „man muss respektieren, dass wir da nicht hineinregieren dürfen.“ Dennoch sei das badische Sinfonieorchester vom Profil her in Europa und darüber hinaus ein einmaliges Orchester. „Dieses Orchester aufzulösen, aus welchen Gründen auch immer, ist objektiv ein Akt der Barbarei“, sagte Goll.
Ein Vorschlag, dem Staatsministerin Krebs umgehend eine Absage erteilte: „Das geht leider nicht. Es ist bitter – aber das Betreiben eines Orchesters ist keine staatlich verankerte Aufgabe der Rundfunkanstalten.“ Krebs verwies aber darauf, dass die Landesregierung über eine Klausel beim SWR-Verwaltungsrat auf die Möglichkeit hingewirkt habe, eine Änderung des Fusionsbeschlusses doch noch zu ermöglichen – falls sich ein anderer Organisationsrahmen für das Sinfonieorchester, etwa über eine Stiftungslösung, verwirklichen lasse. „Wer das erreichen will, muss sich dringend um privates Kapital kümmern“, so Krebs. „Es geht um jährlich elf Millionen Euro – es ist nicht möglich, dass der Landeshaushalt dieses Orchester auffängt.“