Bürgerbeauftragte wird nach Ansicht der Mehrheit weiter gebraucht
Stuttgart. „Wir setzen uns ein für eine Verschlankung des Staates, für weniger Bürokratie und eine Entlastung des Haushaltes“, begründete Hans Dieter Scheerer (FDP) den Vorstoß seiner Fraktion, das Amt der Bürgerbeauftragten abzuschaffen. Außerdem müsse Ziel sein, dass Konflikte zwischen Bürgern und Verwaltung oder Politik überhaupt nicht entstehen: „Das wäre die richtige Politik des Gehörtwerdens, die der Ministerpräsident immer wie eine Monstranz vor sich her trägt.“ Scheerer argumentierte darüber hinaus mit der Stellung der Abgeordneten in ihren Wahlkreisen. Die seien Bürgerbeauftragte und Ansprechpartner ebenso wie der Petitionsausschuss des Landtags oder der Landesdatenschutzbeauftragte. Die Stellen für insgesamt sechs Mitarbeiter könnten nach Meinung der FDP-Fraktion in die Justiz verschoben werden.
Für die AfD ist das von Grün-Rot 2016 geschaffene Amt Ausdruck linker Politik, weil immer, wenn Linke regierten, so Rüdiger Klos, Versorgungsposten für die eigenen Leute geschaffen würden. „Sie können den Bericht auch auf 300 Seiten aufblähen“, sprach der rechtspolitische Sprecher seiner Fraktion die Bürgerbeauftrage Beate Böhlen direkt an, „es bleibt außer sehr viel heißer Luft nichts übrig, um unter Kostengesichtspunkten die Existenz der Funktion des Bürgerbeauftragten zu rechtfertigen.“ Die Kosten pro Einzelfall lägen „mindestens im dreistelligen Bereich, das sind Kosten aus Absurdistan“. Klos will die Mitarbeiter künftig bei Abschiebungen einsetzen. Zudem hielt er der CDU vor, mit einen „Rückgrat wie einer Qualle“ nicht zu früheren Überzeugungen zu stehen. Denn ihr ehemaliger Fraktionschef Peter Hauk habe das Amt bei der Einführung ebenfalls kritisiert und den Grünen ein gestörtes Verhältnis zur Freiheit in Deutschland sowie ein tiefgründiges Misstrauen gegenüber der Politik vorgeworfen.
Laut Jahresbericht wurden im vergangenen Jahr 817 Fälle bearbeitet. Nach Angaben von Böhlen betrafen 192 die Polizei. Auch seien im vergangenen Jahr 17 interne Polizeifälle gezählt worden und in diesem Jahr bereits 21. Das zeige ebenso, wie wichtig ihre Rolle als Mittlerin zwischen Bürger und Behörden sei. Facime Tuncer (Grüne) begründete die Notwendigkeit des Amts unter anderem mit zwei Einzelfällen, in einem hat ein Mann unverschuldet seine Staatsangehörigkeit, im anderen ein Arbeiter unverschuldet seine Stelle verloren. In beiden Fällen habe Böhlen helfen können. Arnulf von Eyb (CDU) erinnerte daran, dass es bei Beschwerden oft schon helfe, zuzuhören und gemeinsam zu beraten, wie die Lösung eines Konflikts aussehen könne. Außerdem schaffe Vertrauen und Transparenz, wenn Bürger ihre Rechte erklärt bekämen.
Jonas Weber (SPD) lobte die Problemlösungskompetenz, mahnte jedoch auch Konsequenzen an, etwa wenn sich zeige, wo in Verwaltungen es konkret an Personal und Digitalisierung mangele. Die Konsequenzen ziehe die Landesregierung aber nicht. Und er kritisierte den FDP-Antrag scharf, sprach von einer selten dünnen Begründung. „Und wieso eine Anlaufstelle entbehrlich ist, wenn in einem Jahr 817 Fälle bearbeitet werden“, so Weber zu den Liberalen, „das bleibt Ihre eigene Logik.“