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Bosch: „Politik soll die Mitte der Gesellschaft hören können, nicht nur die Lautesten“

Im Landtag ging es am Mittwoch um die Bürgerbeteiligung und deren Umsetzung im Südwesten.
Landtag von Baden-Württemberg)Stuttgart. Barbara Bosch (parteilos) ist die Bürgerbeteiligung ein großes Anliegen. Nicht nur, weil sie als Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung mit dafür verantwortlich ist, sondern auch, „weil zum Selbstverständnis der Demokratie gehört, dass die Politik erklärt und dass sie für Mehrheiten für ihre Vorhaben wirbt“. Dies sei schwieriger geworden, auch weil soziale Medien die Onlineblasen verstärkten, „weil laute Ränder die Debatten beschallen, weil die Diskussionskultur leidet und das Vertrauen in staatliches Handeln abnimmt“. Genau da setze die Politik des Gehörtwerdens mit der dialogischen Bürgerbeteiligung an. „Wir holen die Menschen aus ihren Blasen. Politik soll die Mitte der Gesellschaft hören können, nicht nur die Lautesten“, so Bosch am Mittwoch im Landtag.
Sarah Hagmann (Grüne) sagte in der von ihrer Partei beantragten Debatte, dass bereits vieles erreicht worden sei. „Bürgerforen schaffen in unserer individualisierten und medial zugespitzten Gesellschaft einen Raum, in dem ein politisches Thema aus verschiedenen Perspektiven unter Anhörung von Expertinnen und Experten, Verbänden und Betroffenen sachlich und in seiner Tiefe diskutiert werden kann.“ Dieser Raum schaffe aber auch persönliche Begegnungen und die Notwendigkeit, sich mit den Argumenten des Gegenübers auseinanderzusetzen, diese zu beratschlagen und anzuerkennen. Sie sprach sich dafür aus, Möglichkeiten zu schaffen, um die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auszubauen.
„Bürgerbeteiligung ersetzt nicht die parlamentarische Verantwortung.“
Matthias Miller (CDU) wies darauf hin, dass Abgeordnete einer repräsentativen Demokratie nicht Einzelinteressen verträten, sondern das ganze Volk. Und: „Bürgerbeteiligung ersetzt nicht die parlamentarische Verantwortung.“ Der Landtag sei das Organ der Legislative und nicht die Regierung oder ein temporär einberufener Bürgerrat. „Auf kommunaler Ebene hat Baden-Württemberg bereits starke Bürgerräte; sie heißen Kreistag und Gemeinderat. Diese Strukturen – gewählt, legitimiert und rechenschaftspflichtig – sind das Rückgrat unserer Demokratie“, so Miller weiter.
Jonas Weber (SPD) fehlen die messbaren Ergebnisse der Strategiedialoge, die „ja zu richtigen und wichtigen Themen aufgesetzt“ worden seien. Er fragte, wo die messbaren Erfolge für die Autoindustrie, für die Landwirtschaft seien. „Wenn wir denn den Eindruck haben, dass ein solcher Bürgerbeteiligungsprozess, ein Dialogprozess eher ein netter Stammtisch mit dem Ministerpräsidenten ist, müssten wir uns den eigentlich sparen“, sagte er. Dafür seien die Formate schlicht zu teuer.
FDP bezeichnet Volksabstimmung zu S21 als Praxisschock
Julia Goll (FDP) gestand den Grünen zu, dass sie zu Beginn ihrer Regierungszeit zur Bürgerbeteiligung Neues auf den Weg gebracht hätten. Doch die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 sei ein Praxisschock gewesen, schließlich hätten die Grünen „das ja so nicht wiederholt“. Mittlerweile setze man auf Bürgerforen, Bürgerbeteiligung, dialogische Bürgerbeteiligung. „Das scheint auch ganz praktisch zu sein, weil man die nämlich begleitet, und mit Begleitung kann man durchaus auch leiten“, so Goll. Es habe ihr aber bislang niemand erklären können, „was an 50 oder wie viel auch immer zufällig ausgewählten Bürgern besser sein soll, als wenn man alle befragt“. Wolle man alle befragen, was die FDP mit einem Volksbegehren zuletzt versucht habe, in die Wege zu leiten, „dann werden einem doch da einige Knüppel zwischen die Beine geworfen“, kritisierte sie.
„Dass der Bürger sich über das Beteiligungsportal informieren und einbringen kann, alle Tagesordnungen von Plenum und den Ausschüssen online verfügbar sind, begrüßen wir ausdrücklich“, erklärte der rechtspolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Rüdiger Klos. Die AfD setze sich dafür ein, dass die repräsentative Demokratie, um Elemente der direkten Demokratie gestärkt werde. An die Landesregierung gerichtet sagte er: „Ihnen geht es nicht um eine Stärkung der Bürgerrechte – das sind alles Nebelkerzen – sondern um die Sicherung einer undemokratischen Einflussnahme auch für die Zeit nach Ihrer Abwahl.“