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Antiisraelische Versammlungen in der Nähe von Synagogen könnten eingeschränkt werden
STUTTGART. Behörden sollen die „antiisraelischen Versammlungen im Umfeld von Synagogen und anderen jüdischen/israelitischen Einrichtungen“ einschränken können, sind sich Grüne, CDU, SPD und FDP einig. Dafür haben sie das Innenministerium zur „fortlaufenden Aktualisierung“ der Handreichung aufgefordert. Vor allem fordern sie, Demonstrationen und Kundgebungen „intensiv in den Blick zu nehmen, die gezielt jüdische Orte des Erinnerns, wie die Plätze der ehemaligen Synagogen, auswählen, um damit jüdische Geschichte verächtlich zu machen und die Opfer zu verunglimpfen“.
Federführend für die Länder hat Baden-Württemberg den Rahmen zur Auslegung rechtlicher Vorgaben für Demonstrationen und Kundgebungen erarbeitet. Die Landesregierung lasse Versammlungsbehörden mit diesem Thema nicht allein, so Innenminister Thomas Strobl (CDU).
Strobl: „Antisemitismus war nie weg“
Wenn er vor zehn Jahren gefragt worden wäre, ob es auf deutschen Straßen und Plätzen wieder Antisemitismus gebe, „dann hätte ich Ihnen die Antwort gegeben: Nein, das ist nicht möglich“. Das sei aber „ein schlimmer Irrtum, denn der Antisemitismus war nie weg“. Es gebe Querdenker, Verschwörungsideologen, Extremisten und antisemitische Narrative, von dem „tausendfachen Antisemitismus im Netz“ wolle er gar nicht sprechen. Und es sei auch „völlig unerheblich, ob sich der Antisemitismus aus dem Rechtsextremismus, aus dem Linksextremismus, aus dem Ausländerextremismus oder einfach aus einer himmelschreienden Dummheit der Betroffenen speist“. Meinungsfreiheit und Demonstrationsfreiheit seien essenziell für unsere Demokratie. Dies beinhalten auch, „Dummes zu sagen, Falsches zu sagen, Widerliches zu verbreiten. Aber was wir nicht dulden, sind antisemitische Hetze und Gewalt auf den Straßen und Plätzen unseres Landes“.
Die Fraktionschefs von Grünen, CDU, SPD und FDP betonen die Bedeutung des gemeinsamen Beschlusses für die Erinnerungskultur. „Wir sind der Vergangenheit mehr schuldig als nur einen guten Willen“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch, „mehr schuldig sind wir auch unserer Zukunft; denn wir schützen das Andenken nicht nur vor den Feinden der Erinnerung, sondern auch vor den Feinden der Demokratie.“
„Antisemitismus die Stirn bieten“
Manuel Hagel (CDU) erklärte für die Unterzeichner des gemeinsamen Antrags, damit werde aufgezeigt, „wie die jüdische Geschichte, jüdische Traditionen, die jüdische Literatur, Bräuche, ja, die Jüdinnen und Juden selbst, unser Land bereichern“.
Als Mensch, sagte Andreas Schwarz (Grüne), empfinde er „tiefe Abscheu, wenn Menschen sich mit den Opfern des Holocausts vergleichen, und als Politiker antworte ich darauf: Wir in diesem Landtag werden dem Antisemitismus in all seiner Ausprägung die Stirn bieten“.
Das Existenzrecht des Staates Israel gehöre mit zur Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland, erinnerte Hans-Ulrich Rülke (FDP). Das heiße nicht, „dass man israelische Politik nicht kritisieren darf, wenn es bestimmte Kräfte in der israelischen Politik gibt, die vielleicht die Gewaltenteilung infrage stellen. Das heißt aber, dass deutsche Politik immer dann gefordert ist, wenn das Existenzrecht und die territoriale Integrität des Staates Israel infrage gestellt wird, denn da müssen wir schützend eingreifen“.
AfD-Abgeordnete wollten nicht zustimmen
AfD-Fraktionschef Anton Baron kritisierte scharf, wie „die Oberdemokraten“, die nicht einmal die gute Kinderstube beherrschten und „die demokratische Alternative“ wieder einmal nicht einbezogen hätten: „Sie diffamieren uns, Sie verleumden uns, Sie grenzen uns aus, wo Sie nur können“. Das also sei der Respekt vor der Demokratie und vor demokratisch gewählten Volksvertretern. I
n der Sache wollten mehrere AfD-Abgeordnete, dem Entschließungsantrags zur Gänze nicht zustimmen und machten in persönlichen Erklärungen deutlich warum. Darunter Emil Sänze, der von einem Versuch unzulässiger Ausweitung des Weisungsbefugnis sprach, das die Landesregierung gegenüber der Polizei und anderen Behörden habe. Außerdem geht es um „jede Form des Antisemitismus, insbesondere auch um israelfeindliches Gedankengut“. Hier sei „der Definitionsbeliebigkeit Tür und Tor geöffnet“.
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer