Debatten im Landtag

Abgeordnete sehen Gastronomie im Land gefährdet

Die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants und Cafés soll im kommenden Jahr wieder auf 19 Prozent steigen. Darauf hat sich die Ampelkoalition geeinigt. Die Gastronomiebranche befürchtet eine Pleitewelle. Auch die Fraktionen im Landtag sehen diesen Schritt kritisch.

Die Mehrwertsteuer in der Gastronomie steigt.

dpa/Bernd Feil)

Stuttgart. Es ist noch einmal ein dramatischer Appell an die Bundespolitik gewesen, den der CDU-Abgeordnete Winfried Mack in der von seiner Fraktion beantragten Debatte zum Thema „Genießerland braucht Gastwirtschaft“ am Ende seiner Ausführungen formulierte. „Deshalb appellieren wir an Bundestag und Bundesrat, umzukehren, stehen Sie an der Seite der Gastronomie und unserer Bürgerinnen und Bürger“. Dagegen zeigte sich Hans-Peter Storz (SPD) davon überzeugt, „dass der Kampf um eine reduzierte Mehrwertsteuer in der Gastronomie vorerst verloren ist“. In ihrer Enttäuschung und Kritik daran waren sich die Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen im Landtag einig.

Soll die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants und Cafés in 2024 auf 19 Prozent steigen?
  • Nein 81%, 167 Stimmen
    167 Stimmen 81%
    167 Stimmen - 81% aller Stimmen
  • Ja 17%, 35 Stimmen
    35 Stimmen 17%
    35 Stimmen - 17% aller Stimmen
  • Mir egal 2%, 5 Stimmen
    5 Stimmen 2%
    5 Stimmen - 2% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 207
1. Dezember 2023 - 8. Dezember 2023
Die Umfrage ist beendet.

Integration und Sprache: Grüne suchen Lösungen vor Ort

Theresia Bauer (Grüne) stellte klar, dass dies kein Landesthema sei. Die Entscheidung liege beim Bund. Sie will dagegen den Realitätssinn stärken und nach vorn schauen. Deshalb suchte sie Antworten auf die Frage „was können wir hier im Land tun, um der Gastronomie, die Stress hat und unter Druck steht, zu helfen“. Sie betonte, dass von 2018 bis 2022 der Anteil der nichtdeutschen Arbeitskräfte bei Auszubildenden von 24 auf 35 Prozent gestiegen sei. Vor diesem Hintergrund fordert sie praxisnahe Angebote zum Erlernen der Sprache, digitale, schnelle und effiziente Verfahren bei den Ausländerbehörden und eine ansprechende Vermarktung der Kulturgüter im Land.

Auch Storz verwies darauf, dass 40 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Gastronomie einen ausländischen Pass haben. Deshalb lobte er die Westbalkanregelung der Bundesregierung als „echte Hilfe für die Gastronomie, Kräfte zu finden“. Auch er forderte angesichts von 100 Auflagen und Vorschriften in der Gastronomie dringend den Bürokratieabbau. Die Entscheidung, die Mehrwertsteuersenkung nicht beizubehalten hält Storz für einen „schweren politischen Fehler, der Arbeitsplätze gefährdet“. Aus seiner Sicht hat der Bundesfinanzminister die von den Haushältern vorgeschlagene Einigung platzen lassen.

FDP-Kritik: Koalitionspartner blockiert Vorschlag

Erik Schweikert (FDP) wehrte sich gegen die Kritik. Die FDP habe vielmehr einen Vorschlag vorgelegt, der gescheitert sei, weil die Koalitionspartner nicht beim Bürgergeld runtergehen wollten. aber die Koalitionspartner hätten die Gegenfinanzierung durch Abstriche beim Bürgergeld der bei den anderen Er kritisierte, dass der Bundesfinanzminister die Einigung der Haushälter platzen ließ. Schweikert warf der Landesregierung vor, dass Innenminister Thomas Strobl (CDU) als zuständiger Minister nichts für die Gastronomie getan habe, selbst im Bundesrat habe er sich enthalten.

Der FDP-Politiker prangerte an, das im Moment viele Gastronomiebetriebe damit beschäftigt seien, Rückzahlungsverpflichtungen zur Corona-Soforthilfe auszufüllen. Insgesamt mussten nach seinen Angaben bisher 85.000 Betriebe zurückzahlen, 60.000 seien noch offen. Nicht wenige davon seien Gastronomiebetriebe, beklagte Schweikert .

CDU warnt: Mehrwertsteuersatz ist ökonomisch und ökologisch falsch

Für Winfried Mack ist der erhöhte Mehrwertsteuersatz nicht sozial, aber auch ökonomisch und ökologisch falsch. „Sieben Prozent Mehrwertsteuer auf den Außerhausverkauf, aber 19 Prozent, wenn ich an den Tisch sitzen darf und eine warme Stube habe? Das ist unlogisch. Die Geselligkeit leidet.“ Es sei auch ökologisch falsch, denn besser sei Porzellan als Styropor, Pappe und Plastik. Er verwies darauf, dass die Gastronomie in vielen Regionen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. „Ohne Gastronomie gibt es keine lebendigen Innenstädte, keinen funktionierenden Tourismus.“ Wenn man 3,4 Milliarden abschöpfe, dann fehlen diese im System, beklagte der CDU-Politiker.

Auch Bernd Gögel (AfD) hält die höhere Mehrwertsteuer für falsch und unlogisch. Während das aufwändig verpackte Sushi vom Lieferservice unter den ermäßigten Steuersatz falle, werde die frisch gefangene Forelle im Dorfgasthaus künftig wieder voll besteuert, sagte er. Niemand könne das nachvollziehen. „Das können die Einwohner der größeren Städte nicht verstehen, die gastronomisch weiter veröden werden, aber erst recht nicht die Bürger im ländlichen Raum. Diese werden von der Ampel, aber auch hier im Land von Grün-Schwarz ohnehin völlig abgehängt“, so Gögel .

Selbstverschuldete Krise: Gastrobetriebe als erste Opfer

Für Patrick Rapp (CDU), Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, gibt es durchaus Anlass zur Feststellung, dass die Gastrobetriebe die ersten Opfer einer selbst verschuldeten Haushaltskrise in Berlin sind. Klar sind für ihn auch die Ursachen für die jetzige Situation, die existenzbedrohend sei. Nachlassende Kaufkraft wirke sich aus auf Geburtstagsfeiern, Betriebsfeiern, insgesamt aufs Weggehen. Dann komme dazu die nach wie vor hohe Quote an Home-Office . „Das heißt, die Menschen, die vorher in der Stadt, im Städtle waren, sind jetzt natürlich nicht mehr als Kunden in der Gastronomie“.

Die schwierige Situation liegt für Rapp auch an den exorbitanten Kostensteigerungen in den Betrieben bei Einkaufspreisen für Lebensmittel, Personalkosten, Energie, Miete, Reinigung, Zulieferung, Lieferdienste insgesamt. „All das kann ein Gastronomiebetrieb eben nicht zu 100 Prozent auf die Endpreise aufschlagen. Wenn aber pro Essen weniger Geld verdient wird, die Marge also kleiner ist und die Gästefrequenz zurückgeht, muss auch klar sein, mit welchen Reaktionen beziehungsweise mit welchen Rückgängen wir in Zukunft zu rechnen haben“, so Rapp.

Er verwies darauf, dass insgesamt nach mehreren Berechnungen statistischer Ämter, aber auch von Finanzdienstleistern, 13 bis 14 Prozent der Gastronomiebetriebe in ganz Deutschland, speziell in Baden-Württemberg, aus dem Markt gehen. „Das sollte uns schon zu denken geben“, meinte Rapp.

Kritik an Bundesregierung: Unklarheiten führen zu Enthaltung im Bundesrat

Er begründete auch das Verhalten der Landesregierung im Bundesrat als Antwort auf die Kritik Schweikerts . Bereits vor wenigen Wochen sei darauf hingewiesen worden, dass die Landesregierung, einer dauerhaften Absenkung des Mehrwertsteuersatzes nicht entgegensteht, dass aber eine Gegenfinanzierung erwartet werde bei Steuermindereinnahmen zwischen 3,1 und 3,3 Milliarden Euro. Die Bundesregierung habe es jedoch nicht geschafft aufzuzeigen, wie die voraussichtlichen Mindereinnahmen von 150 Millionen Euro für Baden-Württemberg und von 50 Millionen für die Kommunen kompensiert werden können. Das habe schlussendlich auch zur Enthaltung der Landesregierung in der Bundesratsdebatte geführt, führte Rapp aus.

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