16-Jährige dürfen bei Kommunalwahlen wählen – Frauenquote weich geregelt
Stuttgart. Auch in Baden-Württemberg dürfen künftig bei Kommunalwahlen bereits Jugendliche im Alter von 16 Jahren wählen. Mit der Mehrheit von Grünen und SPD sowie der Stimme von Landrat Günther-Martin Pauly (CDU) beschloss der Landtag am Donnerstag die Änderung der entsprechenden kommunalwahrechtlichen Vorschriften.
Innenminister Reinhold Gall (SPD) begrüßte die Entscheidung, durch die junge Menschen "jetzt frühzeitiger in demokratische Diskussions- und Entscheidungsprozesse eingebunden" werden können. Mit Vollendung des 16. Lebensjahrs erhalten Jugendliche – wie in acht anderen Bundesländern – nunmehr das Bürgerrecht in der Gemeinde und sind damit bei Gemeinderats-, Kreistags- und Bürgermeisterwahlen wahlberechtigt. Darüber hinaus können sie auch an Bürgerbegehren, Bürgerentscheiden und Bürgerversammlungen teilnehmen. Gall erwartet, dass schon bei den anstehenden Oberbürgermeister-Wahlen in Singen/Hohentwiel und Aalen 16-Jährige zur Urne gehen werden.
Änderungen von Vorschriften für Kommunal- und Kreistagswahl
Die Änderung der Vorschriften betrifft außerdem das Berechnungsverfahren für die Sitzverteilung in den kommunalen Gremien: Dieses wird vom d'Hondt'schen Höchstzahlverfahren auf das Höchstzahlverfahren nach Sainte-Lague/Schepers umgestellt. Daneben beschloss das Parlament, die mögliche Kandidatur in zwei Wahlkreisen bei Kreistagswahlen wieder abzuschaffen. Ferner dürfen Bürgermeisterwahlen und Bürgerentscheide künftig auch zusammen mit einer Volksabstimmung vorgenommen werden. Durch Änderungen des Gesetzes zur Reform des Gemeindehaushaltsrechts, der Gemeindehaushaltsverordnung und der Gemeindekassenverordnung werden die Umstellungsfristen auf das neue kommunale Haushalts- und Rechnungswesen um jeweils vier Jahre verlängert.
Seine Fraktion sei mit der Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre nicht einverstanden, begründete Alexander Throm die Ablehnung des Gesetzes durch die CDU-Fraktion. "Sie reißen damit das aktive und passive Wahlrecht auseinander und schaffen ein Wahlrecht erster und zweiter Klasse", sagte er. Auch die Streichung der Möglichkeit, für Kreistagswahlen in zwei Wahlkreisen antreten zu können, trug die CDU nicht mit. Man nehme damit billigend in Kauf, dass Splitterparteien in den Kreistag kommen, betonte Throm.
Dagegen sieht Andreas Schwarz (Grüne) im niedrigeren Wahlalter mehr Möglichkeiten zur politischen Mitbestimmung von Jugendlichen. Er sprach von der "Stärkung der Demokratie und der Beteiligungsrechte". Auch Nikolaos Sakellariou (SPD) erkennt im neuen Gesetz die Chance, junge Menschen zu "aktiven Staatsbürgern hinzuführen".
Frauenquote bei Wahllisten kommt bloss als Soll-Vorschrift
Hinsichtlich verbindlicher Regelungen zu einer Frauen-Quote bei der Aufstellung von Listen für die Kommunalwahlen mussten Grüne und SPD dagegen Abstriche machen. Die entsprechende gesetzliche Passage, wonach Männer und Frauen gleichermaßen bei der Aufstellung eines Wahlvorschlags berücksichtigt werden, mutierte zu einer Soll-Vorschrift, was der CDU-Abgeordnete Throm als "Trostpflaster und Placebo" für Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann und Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) apostrophierte. Die gesetzliche Regelung sei "völlig unnützig" und ein "Tabubruch", da Grün-Rot sich damit anmaße, in andere Parteien hineinregieren zu wollen. Ulrich Goll (FDP) sprach von "Farce, Symbolik und Show"; die Liberalen hielten nichts von Bevormundungen.
Dagegen bezeichnete Innenminister Gall die Passage mit der Soll-Regelung als "gelungenen Kompromiss"; die Unverbindlichkeit sei gewählt worden, da eine gesetzliche Muss-Bestimmung nicht verfassungskonform sei. Er erhoffe sich dennoch die Chance, den Frauenanteil zu erhöhen. Bei der Gemeinderatswahl am 7. Juni 2009 waren in Baden-Württemberg insgesamt 14 846 Männer und 4179 Frauen gewählt wurden. Der Frauenanteil lag bei rund 22 Prozent. Noch geringer sind Frauen in Kreistagen vertreten: Bloß 364 der 2273 Mandatsträger sind Frauen (16 Prozent). In mehr als 30 Gemeinderäten im Südwesten sind überhaupt keine Frauen vertreten.
Auch im Landtag sind Frauen unterrepräsentiert: 26 der 138 Abgeordneten (18,8 Prozent) sind weiblich. Den höchsten Frauenanteil haben die Grünen (30,6 Prozent) und die SPD (20 Prozent). Die CDU kommt auf 13,3 Prozent, für die FDP sitzt keine Frau im Landesparlament.