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Expertenbeitrag: Reinhard Renter

Wie wir unsere Behörden resilienter machen

Als ehemaliger Polizeipräsident von Offenburg und langjährige Führungskraft in der Polizei Baden-Württemberg habe ich hautnah erlebt, welche Faktoren eine Verwaltung in Zeiten von Fachkräftemangel, Digitalisierung und zunehmender Unsicherheiten krisenfest und handlungsfähig machen. Resilienz ist der Schlüssel zur zukunftsfähigen Verwaltung.

Klare Werte, mutige Innovationsschritte und eine moderne Führung tragen dazu bei, dass die öffentliche Verwaltung auch in der Zukunft gut funktioniert. Foto: IMAGO

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Offenburg/Kehl. Stellen Sie sich vor: Es ist Sonntagmorgen, eine Krise bricht unerwartet über die Organisation herein – sind wir dann noch handlungsfähig oder droht Chaos? Diese Frage habe ich mir als Polizeipräsident von Offenburg nicht nur theoretisch gestellt, sondern in der Realität beantwortet.

Was wir bei der Polizei erlebt haben, betrifft heute alle Verwaltungen im Land: Fachkräftemangel, Digitalisierung, der gesellschaftliche Wertewandel und die zunehmenden Unsicherheiten in der VUCA-Welt setzen Behörden unter Druck.

Die Verwaltung von heute muss krisenfest und anpassungsfähig sein – und das gilt für Ministerien, Stadtverwaltungen wie für Polizei und kommunale Betriebe gleichermaßen. Baden-Württemberg steht wie viele Bundesländer vor dem demografischen Wandel: Erfahrene Kräfte gehen in den Ruhestand, der Nachwuchs ist knapp. Gleichzeitig rückt die Digitalisierung ins Zentrum der Verwaltungsmodernisierung. Doch nicht nur technische Lösungen sind gefragt, sondern auch kulturelle Veränderungen: Verwaltung muss agiler, offener und lernfähiger werden.

Die Bürger erwarten reaktionsfähige Strukturen

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht moderne Dienstleistungen und reaktionsfähige Strukturen – und diese müssen auch in Zeiten von Fachkräftemangel und steigender Arbeitsbelastung zuverlässig funktionieren. Im Polizeipräsidium Offenburg haben wir unsere Resilienz systematisch aufgebaut. Fünf Erfolgsfaktoren haben sich dabei klar herauskristallisiert:

Erstens. Wertebasierte Führung: Eine starke Sinn- und Werteorientierung gibt Mitarbeitenden Halt, gerade in Krisensituationen. Behörden brauchen ein „Warum“, das über Paragraphen hinausgeht.

Zweitens. Vertrauen und Fehlerkultur: Führungskräfte müssen Räume für Dialog und gemeinsames Lernen schaffen. Fehler zu verschweigen, kostet in der Verwaltung wertvolle Zeit und Ressourcen.

Drittens. Agilität und Innovation: Auch Behörden profitieren von flexibleren Strukturen. Agiles Projektmanagement, Innovationsformate und Pilotprojekte schaffen Anpassungsfähigkeit.

Viertens. Mentale Gesundheit und Achtsamkeit: Gerade im öffentlichen Dienst ist mentale Resilienz entscheidend. Achtsamkeitsprogramme und Stressmanagement stärken die individuelle Belastbarkeit.

Fünftens. Netzwerke und Kooperation: Verwaltung braucht starke interne und externe Netzwerke – von kommunalen Zusammenschlüssen bis zur Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Wirtschaft.

Im Polizeipräsidium Offenburg haben wir diese Prinzipien unter anderem mit einem strukturierten Achtsamkeitsprogramm, neuen Führungsleitlinien und modernen Arbeitsmodellen umgesetzt.

Die Einführung regelmäßiger Feedbackgespräche, gesundheitsorientierter Führungsseminare und einer offenen Fehlerkultur sorgte dafür, dass unsere Organisation auch un ter hoher Belastung handlungsfähig blieb.

Und der Erfolg lässt sich auch belegen: In internen Befragungen erzielte das Polizeipräsidium über Jahre hinweg die höchste Mitarbeiterzufriedenheit innerhalb der Polizei Baden-Württemberg.

Verwaltungen können von diesen Erfahrungen profitieren

Was bedeutet das für Städte, Gemeinden und Ministerien? Verwaltungen im Land können von diesen Erfahrungen profitieren. Resilienz sollte als fester Bestandteil der Organisationsentwicklung begriffen werden – nicht nur für Krisenzeiten, sondern als Zukunftsinvestition. Ein resilientes Rathaus oder Ministerium wird auch in angespannten Lagen leistungsfähig bleiben und die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger erfüllen.

Fazit: Resilienz ist kein „nice to have“ – sie ist Voraussetzung für eine funktionierende Verwaltung im 21. Jahrhundert. Baden-Württemberg hat alle Chancen, hier Vorbild zu werden: durch klare Werte, moderne Führung und mutige Innovationsschritte.

Zur Person

Reinhard Renter war 47 Jahre lang im Polizeidienst tätig und diente bis Mai 2022 als Polizeipräsident beim Polizeipräsidium Offenburg. Dort rief er ein umfassendes Achtsamkeitsprogramm ins Leben, das bis heute in der Wertebasis der Behörde fest verankert ist. Sein Engagement und seine Expertise im Bereich des Polizeimanagements wurden durch verschiedene Fachartikel im „Handbuch Polizeimanagement (2023)“ gewürdigt. Seit seinem Ruhestand ist Renter Keynote Speaker im Bereich Wertekultur und Achtsamkeitsprogramme und Lehrbeauftragter an der Hochschule Kehl.

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